Nachhaltige Fotografie? Was kann das sein?

… oder: Sollte man weniger Bilder zeigen?

Und wenn ich viele tolle Bilder mache, warum nicht auch die veröffentlichen?

Ich habe noch ein paar mehr Fragen: An welche Bilder wird man sich in den nächsten paar Monaten erinnern, die du gemacht hast? An den tollen Sonnenuntergang? Das Weinglas im Gegenlicht? Die Langzeitbelichtung mit der spiegelglatten Wasserfläche unter einem dramatischen Himmel? Oder das harte HDR-Portrait von dem Menschen, der auf der Straße sitzt?

(Nur eine kleine Auswahl der Klischee-Motive, die wir alle zuhauf sehen, wenn wir unsere magischen Kanäle durchfahren. Ich nehme an, dass du weißt, was ich meine. Ich habe nichts gegen Sonnenuntergänge, Weingläser oder tolle Landschaftsaufnahmen.)

Die darunterliegende Frage ist: Was machen die sozialen Medien mit mir und meiner Fotografie? Klar, in erster Linie können sie mir als Inspiration dienen. Allerdings nicht als alleinige oder gar als erste Quelle. Die Gefahr, das nachmachen zu wollen, was man eben noch im Netz gesehen hat, lauert immer. Und ich tue das auch. Kopieren.

Wie diese Gefahr überwinden? Kopieren. Bis man es selber kann. Und dann den entscheidenden Schritt weitergehen, oder eine Abbiegung nehmen, an die noch niemand gedacht hat – das ist die Kunst und genau das, was am Ende deinen Stil prägen kann. Deine Stimme wirst du nicht hörbar machen können, wenn du genauso singst wie die anderen. bad artists copy, great artists steal.

Sind Facebook, Insta, Pinterest und Co Inspirationsquellen? Die Antwort weißt du selbst. Ich lasse mich lieber von Kunstbänden oder alten Fotobüchern inspirieren. Von Klassikern, wenn du so willst. Oder auch zeitgenössischen Fotografen oder Künstlern. Oder von Filmen.

Die Bilderflut birgt große Verlockungen: Du kannst dich extrem unter Druck setzen, wenn du z.B. daran denkst, möglichst viele Likes zu bekommen. Frage dich ganz klar und ehrlich, ob es das ist was du erreichen möchtest. Klar, das ist natürlich eine Form der Anerkennung, aber wird diese tatsächlich durch Likes wiedergespiegelt?

Jedenfalls, wenn du dich fragst, oder beim Fotografieren denkst, „ja cool, das stelle ich nachher auf FB oder auf Flickr oder wo auch immer und warte mal ab, wieviele Likes ‚reinkommen, wieviele Wows, Ahs und Ohs“: Ich glaube, dass das für eine langfristige und nachhaltige Fotografie nicht förderlich ist, nur mit diesem Ziel an deine Bilder heranzugehen.

Denke lieber einfach mal über deine eigenen Bilder – die du schon gemacht hast und die du machen wirst/ willst – nach. Denke über das nach, was dich bewegt. Was ist dein Thema, wofür brennst du, was beschäftigt dich. Neben den oberflächlichen schönen oder lustigen oder skurrilen Dingen. Und darüber, wie du das in eine künstlerische Form bringen kannst.

Vielleicht hast du auch eigene, andere Ideen, wie man seine Bilder einem geeigneten Publikum zugänglich macht – vielleicht sogar offline. Ausstellung mit ausgedruckten Bildern, Handvergrößerungen. Einem Buch. Ich habe gemerkt, dass, wenn man Bilder ausgedruckt vor sich hat und in der Hand hält, erfahren sie eine andere Aufmerksamkeit und Wertschätzung.

Auch ich veröffentliche meine Bilder. Aber ich bin davon abgekommen, zuviel zu zeigen. Derzeit zeige ich maximal ein Bild pro Tag. Auch, wenn es in den Fingern juckt, mehr zu posten.

Es geht um Wertschätzung. Deinen eigenen Bildern gegenüber.

Was wäre, wenn du deine Bilder als deine Kinder betrachtest? Ich finde den Vergleich tatsächlich gar nicht mal so unpassend. Bilder entspringen deiner Kreativität (einem Schöpfungsakt) und sie werden vermutlich noch immer da sein, wenn du selber nicht mehr bist.

An welche deiner Bilder soll man sich erinnern, welche sind dir so lieb geworden (oder wichtig), dass du dich mit ihnen identifizierst? Gehe da einmal in dich, tritt einen Schritt zurück und betrachte deine Arbeiten. Welche davon zeigt dich oder das wofür du stehst? Oder anders gesehen: Nimm deine Lieblingsfotografen (du hast sicherlich welche ;-)). Welche Ihrer Bilder tauchen vor deinem geistigen Auge auf? Welche davon sind deine „Ikonen“? Es sind vielleicht nicht übermäßig viele, dafür aber umso intensivere, berührendere oder dich auf eine bestimmte Art kitzelnde Bilder. Es ist sozusagen der „Rahm“, der sich oben in deiner geistigen Galerie absetzt. Doch ohne das, was unter diesem Rahm sitzt – die Hunderte oder Tausende von Bildern, die derjenige Künstler gemacht hat – wären deine „Ikonen“ nicht entstanden, nicht in die Welt gekommen.

Verantwortung

Du musst also viele Bilder machen, bis sich daraus etwas wie ein Stil herauskristallisiert, deine eigene Bildsprache und schließlich Bilder an die Oberfläche gelangen, die dein Innerstes oder deine Message an „die da draußen“ widerspiegeln. Musst du deshalb jedes einzelne Bild veröffentlichen? Es wird dich niemand davon abhalten. Das ist das Tolle am Medium Internet. Aber auch das Tragische. Du allein bist für deine Bilder verantwortlich, und je mehr du davon in die Welt setzt, umso weniger werden deine richtig guten Arbeiten gewürdigt und gewertschätzt. Sie gehen in deinem eigenen Strom unter. Bekommen keine Aufmerksamkeit mehr.

Was tun?

Von Chris und Boris (Marquardt und Nienke, Happy Shooting) habe ich eine wichtige Lektion gelernt. Wenn du eine Bilderreihe zu einem Thema machst, zeige nur das Beste daraus. Nur ein Bild. Zeigst du zwei oder mehr, stehen sie in Konkurrenz zueinander und die Aufmerksamkeit muss sich auf mehrere Bilder verteilen. (Wenn ich eine Fotoserie produzieren will, ist das natürlich anders, dann ist die Serie das Werk, klar.)

Nochmal gefragt: Fotografierst (und postest) du immer noch oder immer wieder Sonnenuntergänge oder die Blumen oder die Schmetterlinge aus deinem Garten? Trägst du immer wieder zu der Bilderfülle / -flut im Netz bei, zum allgemeinen Rauschen, in dem deine Bilder untergehen?

Das nächste Mal, wenn es dich „kitzelt“: Mach‘ mal ein anderes Sonnenuntergangsfoto. Ein anderes Schmetterlingsbild. Fordere dich heraus.

Auch wenn das paradox klingt: Mache deine Bilder für dich. Nicht für andere. Wenn du versuchst, anderen zu gefallen, wirst du den Kern, den wahren Beweggrund, warum du fotografierst, nicht finden. Fotografie ist wie eine Stimme, die sich erst einmal herausbilden muss, schließlich aber ihre eigene Färbung hat.

Also: Finde deine eigene Stimme.

PS: Am 21. September findet der Gegenüber-Workshop statt. Es ist noch ein Platz für dich frei – vielleicht sehen wir uns?

17 Responses
  1. Hi Tilman,

    einen schönen Beitrag, den du hier verfasst hast. Über einen ähnlichen Artikel sitze ich gerade. Daher passt das ganz gut :). Ja, du greifst hier ein sehr wichtiges Thema auf.

    Inspiration. Wo holen? Welche Bilder zeigen? Anerkennung, wo erhalten?

    Ich glaube auch, dass das klassische Printmagazin wie zB LFI oder eben der Bildband, die größten kreative Impulse geben. Print nimmt man anders wahr. Man kann sich in Ruhe auf die Werke fokussieren und wird nicht abgelenkt.

    Wobei ich auch (gerne) Instagram nutze und stöbere, auch wenn ich als damit auf dem Kriegsfuß stehe. Mir geht es hauptsächlich um den Austausch mit anderen Menschen. Und es gibt viele Menschen, die einfach Spaß haben an der Fotografie und nehmen es nicht so ernst welche Bilder sie zeigen.

    Welche Bilder zeigen. Tja. Das ist auch wieder so ein Thema, ne :). Das ist die größte Hürde, die man zu nehmen hat. Das eigene Bild zu bewerten. Das Beste herauszudeuten. Und stimmt. Bilder stehen in Konkurrenz zueinander. Ist so. Weniger ist oft mehr. Aber ich glaube auch hier kann man unterscheiden, ob ich es beruflich nutze und damit Geld verdiene und natürlich nur meine besten Bilder veröffentliche. Und selbst da braucht man ja Content für die sozialen Medien. Denn wer nicht wirbt ist tot. Und man muss ja nicht nur seine Mega Bilder zeigen. Ist ja auch eine Strategie, die man verfolgt. Gute Bilder im Portfolio, Rest kann z.B in Story. Und dann ist die Frage, warum soll ich eigentlich nur meine Super Shots zeigen? Warum eigentlich? Damit wir mehr Bewunderung erhalten? Also z.B als reiner Hobbyfotograf. Du musst auch immer den gleichen Content abliefern, damit du ja die Follower bedienst. Das wird ja dann auch erwartet. Wen will ich denn erreichen. Ist das nicht wieder eine Richtung zur unbedingten Perfektion. Muss immer alles perfekt sein. DAS FOTO. Die Person.

    Ich gehe jetzt mal wirklich rein von mir aus. Mir geht es einfach um das Bild / Bilder. Gefällt mir. Gefällt mir nicht. Gut fotografiert oder nicht. Es muss mich als Person abholen. Mich bewegen, erreichen. Darum geht es mir. Und andere werden das wieder ganz anders bewerten. Denn jeder Mensch hat seine eigene Wahrnehmung. Wichtig ist für mich viel mehr mittlerweile dem Bild einen Mehrwert zu geben. Eine Botschaft mitzugeben.

    Bilder sind Bilder. Schön, schlecht, farbig, schwarz-weiß. Es gibt viele davon. Gedruckt, Digital. Und es kommen immer mehr dazu. Und ich glaube, wenn ich gebucht werden will, dann entscheiden sich viele wegen meiner Persönlichkeit. Wie komme ich rüber, wie komme ich an. Was macht mich aus. Und das glaube ich, kann man mit Bilder sehr gut transportieren. Weil ob meine Bilder gut oder schlecht sind, entscheidet am Ende der Betrachter. Ob ich nun die Serie zeige im Blog, oder nur ein Bild im Portfolio. Klar ist wichtig. Aber am Ende schaue ich mir „Über mich“ an, stöbere bissel im Social Media Konto. Schau was für eine Person dahinter steht und ob Bewertungen vorhanden sind. Rezensionen.

    Bilder allein. Jo. Nimm mal das Thema Styled Shots. Alles perfekt inszeniert. Kannst die Besten zeigen. Nur kann er das wirklich? Eine Reportage abliefern wenn er muss? Ist da sie Serie nicht wieder wichtiger, als ein paar ultimative Mega Shots, die ich im Portfolio sehe. Auch viel gehen auf Workshops und können dann das Model Bild veröffentlichen. Aber draußen, beim Kunden, da muss das laufen. Licht sehen, verstehen. Und daher sehe ich es immer etwas abstrahiert. Es macht die Mischung aus allem.

    So genug geschrieben :).

    Gruß

    Markus

    1. Hallo Markus,

      vielen Dank für deinen umfangreichen Kommentar. Ich greife mal nicht alle Aspekte auf, aber vielleicht doch ;-).

      Es gibt den Spruch „only put out your best work“. Man soll nur seine allerbesten Bilder zeigen. Ob das wirklich so ist, bezweifle ich mittlerweile. Es kommt darauf an, welche Art von Fotograf man ist oder sein möchte. Ich kann eine Serie veröffentlichen, aus der der Prozess ersichtlich wird, in dem das eine Mega-Bild entstanden ist. Das stellt den „Meister“-Fotografen auf eine Stufe mit seinen Fans und zeigt, dass es harte Arbeit ist und viele Bilder braucht, wenn man ein vorzeigbares daraus zeigen will. Ich verweise da auf David DuChemin, der das sehr schön zeigt (z.B. hier: https://davidduchemin.com/2018/09/your-worst-images-might-be-your-most-important/).

      Aber von den großen Fotografen kennt man meistens nur die Masterpieces. Es gibt jedoch auch ausnahmen, wie auf einem Cover von Irving Penn, worauf der Kontaktabzug zu einem Modelshooting zu sehen ist. Dort erkennt man jedoch auch, auf welchem Niveau der Penn gearbeitet hat. Um es mit Nan Goldin zu sagen: „You can take a million pictures and come out with two if you’re lucky“ (sinngemäß.)

      Es ist kein einfaches Thema, und ich beschäftige mich auch immer wieder damit.

      (Note2Self: 3 Fotografen genannt. Check XD).

      Viele Grüße, ich freue mich von dir zu hören!
      Tilman

      1. Hi Tilman,

        muss dir ja noch antworten :). Ich stimme dir da komplett zu. Qualität geht vor Quantität. Und weniger ist oft mehr. Ist gar keine Frage. Aus einer fotografierten Strecke eben nur die „besten“ Bilder zu zeigen ist klar. Aber der Selektionsprozess ist schon eine Hürde für sich. Und wer definiert, was das beste Foto ist? Ich oder der Betrachter. Schauen wir Zwei mal auf zwei Bilder. Wahrscheinlich 2 unterschiedliche Wahrnehmungen. Am Ende wird es so sein. Es gibt die Handvoll Bilder im Portfolio die herausragend sind. Und auch im Portfolio das Gleiche. Mit den Werken ziehst du dir dein Publikum. Jetzt kann ich das natürlich auf Social Media übertragen. Auch hier ähnlich. Aber dort geht es mir mehr um die Menschen als um Ihre „Werke“. Und oft werden sogenannte Meisterwerke immer wiederholt gezeigt, die mir zum Beispiel gar nix geben. Anderen wieder schon. Also auch hier. Subjektive Wahrnehmung des Ganzen. Und ich folge auch vielen Menschen, die einfach aus Spaß fotografieren und es zeigen wollen. Dann kann ich denen folgen oder nicht. Und auch bestimme ich, wie sich die Qualiät des Feeds zusammensetzt. Aber ich sehe es relativ entspannt. Ich freue mich einfach über den Austausch mit anderen Fotografen und über deren Arbeiten. Was sie bewegt, denken usw. Mir geht es um die Person. Ob jetzt immer der Mega Shot dabei ist, oder mal nicht. Mir egal. Deswegen würde ich ihn aber nicht höher oder geringer gewichten als Fotograf. Und am Ende. Was will ich denn erreichen? Will ich als der Bresson in die Geschichte eingehen. Dann schmeiß ich einfach alle Filme in den Sack und warte bis die jemand findet. Schau, es ist aktuell auch mit Bildbänden so. Gefühlt werden jetzt immer mehr Bildbände rausgebracht. Und auch hier sind die Qualitäten und Ansprüche weit auseinander. Aber so ist der Markt. Und woran machen wir es fest ob wir ein Werk kaufen. Doch meist an der Persönlichkeit des Fotografen. Oder des Künstlers. Mein Kollege hat sich Bildbände ergattert und ist begeistert. Ich z.B finde die Bilder weniger stark. Würde sie mir nicht unbedingt holen.

        Aber am Ende ist es doch. What you show is what you get. Ob auf Homepage oder auf Social Media. Aber wie ich auch kurz erwähnt habe. Wenn du auf Social Medie irgendeine Strategie verfolgst „MUSST“ du regelmäßig aktiv sein. Gehe in den Kosmos Instagram. Regelmäßig Content zeigen. Ich habe mal bewusst den Begriff Content ins Spiel gebracht. Warum? Weil sich viele Fotografen bereits als „Content Creator“ verstehen. Auch für die großen Marken wird Content produziert auf hohem Niveau. Aber es geht nicht nur um Meistershots. Es geht darum regelmäßig qualitativ hochwertige Bilder in den Kanälen zu zeigen, die das Unternehmen und die Produkte auch widerspiegelt. Die Zeiten haben sich geändert. Jetzt kann ich sagen. Mitmachen oder lassen. Das ist mein Spiel und meine Strategie, die ich gehen will.

        So genug geschrieben 🙂

        1. Hi Markus, danke nochmal für deine ausführlichen Gedanken zum Thema – dass du den „Content Creator“ mit ins Spiel gebracht hast, finde ich gut. Ich habe neulich von einem Bekannten gehört, der wiederum einen anderen Fotografen persönlich kennt, dass dieser sich nun als CC sieht. Das hat mich etwas nachdenklich gestimmt. Klar, auch ich (und du etc.) erstellen Inhalte, verbreiten sie. Aber tatsächlich merke ich, dass das Eigentliche – die eigene fotografische Arbeit und die Weiterentwicklung eines Stils, das Suchen neuer Herausforderungen – dabei zu kurz kommen kann, wenn man sich sehr stark auf Reichweite in sozialen Medien konzentriert.

          Soweit erstmal von meiner Seite!
          Gruß
          Tilman

          1. Hi Tilman,

            ich mal wieder :). Zitat:“ die eigene fotografische Arbeit und die Weiterentwicklung eines Stils, das Suchen neuer Herausforderungen“. In meinen Augen entsteht dies durch regelmäßiges Training. Rausgehen und fotografieren. Sein eigenes Ding machen unabhängig von den Sozialen Medien. Aber das ist unabhängig von der Situation, in der ich mich befinde. Meinen Stil mögen Auftraggeber, Brautpaare, Kunden usw. Aber kann ich meinen Stil denn immer durchbringen? Wenn große Auftraggeber dir das Moodbord vorlegen und das von dir wollen. Kann man dann seinen Stil umsetzen oder den, der der AG möchte? Und auch bei Brautpaaren ist es oft so, dass Pinterest als Moodbord dient.

            Fragen über Fragen :).

          2. Sicher, als Auftragnehmer bist du nicht frei von den Vorstellungen der anderen. Das kann auch hilfreich sein, aber du willst ja auch gewissermaßen so etwas wie dein Alleinstellungsmerkmal mit ‚reinbringen. Das kann kollidieren oder passen. Deine Auftraggeber werden dich auswählen, weil sie deinen Stil ansprechend finden. Hoffentlich jedenfalls. Es gibt auch welche, die brauchen „einfach nur Bilder“ und können mit Stil nicht viel anfangen. Klingt hart, aber ist mitunter so.

  2. Ich habe so meine Probleme damit was das beste Bild ist, gerade bei den eigenen Bildern. All zu oft erlebe ich, daß Bilder die mir scheinbar gut gelungen sind, von anderen kaum bis gar nicht beachtet werden und dann gibt es Bilder, die ich so lala oder für mittelmäßig halte und die Betrachter kriegen sich fast nicht ein.
    Und da frage ich, mit wem stimmt was nicht?
    Und es sind bei mir oft die Bilder, die gängige Klischees bedienen oder wie es zu sein hat, wenn es angenommen wird, doch das Bild mit Ecken und Kanten, wenn es denn nicht das gängige Klischee bedient, findet eher keine Beachtung. Es sind doch aber gerade die Bilder mit Ecken und Kanten, mit Brüchen und die gegen den Mainstreamstrich gebürstet sind, die die Neugier wecken (sollten). Bei einigen, eben nicht bei allen ist dies wohl Ausdruck ihrer Reaktion.
    Es kommt hat auch auf den Betrachter an, seiner visuellen Bibliothek derer er sich bei der Bildbetrachtung und Bewertung bedient, und diese Bibliotheken sind eben sehr unterschiedlich….

    1. Hallo Jörg,

      du sprichst da ein wichtiges Thema an. Die Erwartungshaltung der anderen und dein eigener Anspruch, etwas zu machen, das nicht massenkonform ist, klaffen oft auseinander. Aber deine eigene Haltung zu den Bildern ist essentiell und wird dich als Künstler von der Masse abheben. Du selbst (also du, Jörg ;-)) bist erfahren und machst deinen eigenen Weg. Für andere ist es häufig der einfache (weil scheinbar sichere) Weg, den Massengeschmack zu bedienen oder das zu liefern, was erwartet wird. Das zu durchbrechen sollte der Anspruch eines jeden Bild-/ Kunstschaffenden sein…

      Gruß, Tilman

  3. Hallo zusammen,
    Ich bin per Twitter auf diesen Artikel gestossen, ich habe mit Markus schon mehrfach dieses Thema angesprochen.

    Die Frage ist natürlich, ob die alten Meister, würden sie heute leben, Insta oder Facebook nicht auch nutzen würden. Sie nutzten die Möglichkeiten die ihnen zu ihrer Zeit zur Verfügung standen. Es gab nichts anderes, Buch, Ausstellunt oder Zeitschriften, das war’s. Hätte z.B. eine Vivian Maier zu ihren Lebzeiten die Anerkennung bekommen, hätte sie einen Account bei Instagram gehabt? Ich weiss es ist hypothetisch, aber ich glaube es ist es wert darüber nachzudenken.

    Kommen wir zu den bekannten Plattformen, die Segen und Fluch zugleich sind. Ich habe in den sozialen Netzwerken Fotografen gefunden, die mein fotografieren verändert haben, die mich inspiriert haben. Mich anregten einfach mal etwas anders zu machen, neues auszuprobieren, das ist mir schon sehr wichtig. Man muss sich nur von der Menge der Likes unabhängiger machen und aufhören Bilder so zu machen, das sie mehr Likes bekommen könnten. Damit wird man auf die Dauer nicht glücklich in seinem fotografischen Schaffen.

    Kommen wir nun, endlich?, zu den grossen Nachteilen von social media. Der grösste Nachteil ist die schiere Masse von Fotos, jeden Tag kann ich mir hunderte oder gar tausende Fotos anschauen und meine Aufmerksamkeitsspanne sinkt immer weiter. Der Daumen ist mit dem weiterscrollen mehr beschäftigt, als das Hirn mit den Werken, die die Menschen erschaffen haben. Immer mehr in immer kürzerer Zeit, das führte mich dazu einige Accounts zu löschen. Und ich vermisse eigentlich nicht viel, denn auf jeder Plattform bleibt die Masse der Fotos hoch. Das Problem bleibt.

    Was mich unheimlich nervt, sind die Timelines. Ich kann nicht sehen, was ich möchte, ich bekomme es vorgekaut, von einem Algorithmus der meint er wüsste was mir gefällt. Dabei geht es nur um Klicks, was ich öfter like, sehe ich öfter. So geht mir der Gelegenheitsposter meistens komplett verloren, während ich den Vielposter beinahe täglich zu sehen bekomme. Keine Ahnung was ich da schon alles verpasst habe. Das nervt und macht die Plattform, für mich, immer uninteressanter.

    Vernünftige Auseinandersetzung mit Fotos ist in social media kaum möglich. Dafür sollte ich in Ausstellungen gehen, oder Bildbände im Schrank haben, die ich in ruhiger Minute geniessen kann, wo alleine das umblättern solange dauert, wie 4 likes auf Instagram.
    Es ist einfach besser.

    grüße,
    Jürgen

    1. Hallo Jürgen,

      schöne Denkanstöße, die du da gibst.

      Auch die hypothetische Frage ist legitim, finde ich. Man kann ja auch heute „große“ Fotografen sehen, die aber nicht jeden Tag Bilder posten. Sie haben es auch nicht nötig, oder die sozialen Medien sind für sie nicht so interessant. Andere wiederum (ich denke da an Bruce Gilden) nutzen Instagram intensiv. Tatsächlich passt das in dem Fall auch, finde ich.

      Ich habe über Social Media auch Fotografen entdeckt, die mich nachhaltig beeinflussen. Aber sie haben das dadurch getan, dass sie mich nicht ständig bombardiert haben, sondern eher reduziert und gezielt Dinge veröffentlichten, die mich irgendwie abholten.

      Die Masse von Fotos ist vielleicht ein Problem, aber eben auch eine Tatsache. Wir müssen lernen, herauszufiltern, was für uns relevant ist. Irgendwas geht einem dabei durch die Lappen. Unvermeidlich. Ich arbeite regelmäßig mit einer Künstlerin zusammen, und sie hatte einmal einen Bildband von Graciela Iturbide in ihrem Atelier liegen. Ich hatte den Namen noch nie gehört. Wunderbare Bilder, durch Zufall entdeckt.

      Die – intensive – Auseinandersetzung mit Bildern muss anderswo stattfinden, das denke ich auch!

      Gruß,
      Tilman

  4. jan

    Soziale Netzwerke als Inspiration?
    Nein absolut nicht. Fotografie ist neben der Kreation (auch im Zeitalter der Digitalkameras) noch immer ein Handwerk. Auf einem Daumenkino wie Instagram kann niemand das handwerkliche Können eines Fotografen beurteilen. Was im „Mäuseformat“ auf dem Smartphone gut ausschaut – das entpuppt sich oft im Detail auf einem 27 Zoll Monitor als fotografischer Schrott. Für den schnellen Insta-like wird in PSD lausig montiert, pfuschig nachgefärbt und überschärft. Gleiches bei Facebook. Hier sind zwar die Formate größer, aber Facebook komprimiert die Daten beim Hochspielen dermassen, daß ein echter Eindruck kaum entsteht. Gedanke: Handwerkliches Können sieht man erst in höher auflösenden Daten bzw. im großformatigen Galerieprint.

    Manchmal finden sich in den Netzwerken echte Perlen. Hier gilt der zweite Klick zur Website des Fotografen.

    Stil und Inspiration:
    Fotografie ist die stumme Sprache jener Dinge, die hinter den Augen passieren. Wer es schafft seine Gedanken fotografisch auszudrücken, der hat seinen Stil gefunden. Sehr gute Fotografen sind über ihre Bilder lesbar.

    Nachhaltigkeit im Motiv:
    Fast alle Ikonen der Fotografie waren zum Zeitpunkt ihrer Entstehung keine Ikonen. Die Frage, was eine Ikone der Fotografie ist, wird erst nach einem langen Zeitraum beantwortet. Es gibt keine Definition für das perfekte Motiv. Manchmal ist es ein Auto im Hintergrund, der Stil der Kleidung, eine Person der Zeitgeschichte oder auch längst abgerissene Architektur, welche ein Foto zum absoluten Statement seiner Zeit machen.

    Technische Nachhaltigkeit:
    Neunzig Prozent der Bilder in den heutigen Netzwerken werden irgendwann einfach verschwinden. Heute bekannte Dienste werden übermorgen verkauft und irgendwann geschlossen. Ich erinnere an die Millionen von Lycos-Tripod Seiten…

    Was, wenn in naher / ferner Zukunft das JPG-Format oder das PNG softwareseitig nicht mehr unterstützt wird. Klingt das unmöglich? Dann versuche eine alte FreeHand 4.0 Datei, oder ein Mac Pict Format zu öffnen. Das hauseigene Dateiformat der ehemaligen Bildbearbeitungssoftware Macromedia X-Res ist heute von keiner Software mehr importierbar. Wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen, dann also auch über Bilddatenkompatibilität. Vielleicht findet sich echte technische Nachhaltigkeit nur in der analogen Fotografie…

    1. Hi Jan,

      wenn soziale Netzwerke als Inspiration dienen, dann tatsächlich eher dadurch, dass ich sehen kann, wie ein Fotograf sie nutzt. Bildqualität lässt sich da bestimmt nicht beurteilen, eher als Teaser für die Webseite, wie du sagst.

      Wenn es Fotos schaffen, etwas (tieferes) über den Fotografen zu erzählen, seine Sichtweise klar zu zeigen, ist das sicher ein Merkmal für Stil. Und wenn es eine Definition für ein perfektes Motiv gäbe – ich glaube, das wäre ein Widerspruch in sich. Man kann keine für sich eigenständigen Bilder „nach Rezept“ machen, wenn sie nachhaltig wirken sollen.

      Was du zur technischen technischen Nachhaltigkeit sagst: Stimmt. Dateikompatibiltät ist sicher ein Thema – davon ist die Analogfotografie unberührt, das ist das Schöne daran.

      Danke dir für deine Gedanken!

      Gruß,
      Tilman

  5. Und noch als Ergänzung nach meinem Telefonat heute Morgen mit einem Kollegen. Es kommen oft Anfragen von Brautpaaren, die alle Bilder möchten. Am liebsten auch unbearbeitet. Das ist Ihnen egal. Ich frage mich immer nur warum ist das so. Woher kommt dieser „Mengen“ Gedanke? Warum wollen Sie 10000 Bilder. Total egal, ob die Augen zu sind, oder oder oder.

    1. Es mag sein, dass sie denken: „Wir bezahlen dafür, also wollen wir auch alles haben“. Ich habe selber ja auch eher den Old-School-Ansatz aus meiner Ausbildung: „Es geht nichts aus dem Studio an den Kunden, mit dem wir selbst nicht 100% (naja, 99,9%) zufrieden sind.“
      Selber würde ich unbearbeitete/ unscharfe Bilder nur dann zeigen, wenn es um Bildbearbeitung oder Objektive bz. Autofokus – also technischen Kram geht…
      [EDIT] Es hat schließlich auch etwas mit Wertschätzung zu tun, dass du nur deine besten bilder zeigst, bzw. die, die etwas zur Story (Hochzeit o.ä.) beitragen. Und es gehört zu deiner Arbeit (und deiner Kunst, deinem Handwerk), das, was „drumherum“ angefallen ist, damit die richtig guten Bilder entstehen konnten, auszusortieren und (natürlich) nicht zu zeigen.