Ich bilde ab, was ich sehe. Aber ich muss nicht alles zeigen, auch wenn ich könnte. Daher gibt es hier eine bloße Beschreibung und einige Bilder drumherum.

Schon absurd, in der Vorweihnachtsglitzerwelt von Karstadt zu stehen um eine Thermoskanne für einen Obdachlosen zu kaufen. Riesige Auswahl an Designer-Edelstahlbechern, und die Frage, ob ich nun eine mit oder ohne Auslaufschutz nehme. Und wieviel will ich ausgeben? Was ist, wenn er schon eine hat? Beinahe wäre ich ohne Becher wieder ´rausgegangen. Macht das überhaupt Sinn mit dem Becher? Kurzerhand den unauffälligsten designten Becher aus Edelstahl gekauft, mit Griff, aber ohne Auslaufschutz. Anschließend ins Backwerk, ohne zu fragen den Becher unter den Kaffeeautomaten gestellt. Beim Bezahlen ist die Kassiererin überaus freundlich, ich renne offene Türen ein. Das würde sie selbst auch so machen, man müsse nicht wegen jedem bisschen einen neuen Pappbecher mit Plastikdeckel verbrauchen. Das ist doch schonmal etwas.

Ich bin etwas nervös, als ich an der Ampel stehe, das Lager von Werner sehe, ein frisch gemachtes Bett, knallbunte M&M-Bettwäsche vor dem grauen öffentlichen WC. Er selbst ist nicht da. Noch ist die Ampel rot, ich denke, ich gehe also jetzt darüber und stelle ihm den Becher hin. Komisch. Was, wenn die anderen Menschen denken, das sei meine Herberge? Oder wenn das wirklich mein Lager wäre, so als reines Gedankenspiel, und ich dort wohnen müsste? Ich erahne die Überwindung, die es kosten muss, sich so weit „nach unten“ zu begeben, weil einem nichts anderes übrig bleibt.

Ein wenig fühle ich mich wie ein Eindringling, ein Zaungast, der hier nicht hergehört. Ich stelle ihm den Kaffee hin, hoffe, dass er heißt bleibt, bis Werner wiederkommt. Schreibe noch ein paar Zeilen zu dem Foto, das ich ihm mitgebracht habe. Mache ein paar Bilder, die ich jedoch nicht veröffentliche. Auch wenn Werner gesagt hat, er hätte nichts zu verbergen.

3 Responses
  1. Kim

    Hallo Tilman,
    ich finde es wirklich Klasse das Du Werner den Becher gekauft hast. Ihm ist es egal, ob mit oder ohne Auslufschutz…..auch wenn Er schon einen besitzt,“wird der von Dir“ ein ganz besonderer sein ! Als ich früher in Berlin „Platte gemacht habe“, als Teenie, hätte ich mich über so eine Geste tierisch gefreut…. Aber ich wurde nur verjagt, keiner wollte das ich vor seinem Geschäft,Hotel, U Bahn schlafe….
    Also blieben auch mir nur irgendwelche Hauseingänge, Abrisshäuser, Seitenstraßen….!!!
    Ich habe mich dann irgendwann einer Gruppe „Punks“ angeschlossen. Und den Straßen Jungs die angeschafft haben, wie ich auch….Die waren mehr Familie, als ich je hatte.
    Wenn Du keine andere Wahl hast, so zu leben, bzw. diesen Weg bewusst gewählt hast, aus welchen Gründen auch immer! Ist es einem nur am Anfang unangenehm…..
    Aber das vergeht schnell,weil Du nicht mehr die Zeit,Kraft hast darüber nachzudenken!
    Es gilt „nur“, wie überlebe ich diesen Tag/Nacht !
    Es gibt nur das jetzt und hier…..

    1. Tilman

      Hallo Kim,
      ich bin bewegt von deinen ehrlichen und schonungslosen Worten und kann/ möchte dem nichts weiter hinzufügen. Danke für deinen Beitrag.
      Tilman