Ein Licht, eine Linse, ein Irgendwas

Wenn du dich auf das Nötigste beschränkst, lernst du deine Kamera, dein Objektiv, dein Licht genau kennen. Zack Arias – ich muss ihn immer wieder mal hervorkramen – gibt da ein gutes Beispiel ab, hat er doch zu Beginn seiner Karriere alles mit einer einzigen Festbrennweite (ich glaube, es war ein 35mm-Objektiv) fotografiert. Weil ihm zu der Zeit eben nur diese zur Verfügung stand.

Also: Mr. Arias hat’s immer wieder gepredigt, und ich bin mir sicher, dass er mit seiner Herangehensweise richtig liegt.

Ein Licht, ein Hintergrund
Die Position macht’s

Ein guter Fotograf/ Künstler/ kreatives Wesen ist auch mit einfachen Mitteln in der Lage, immer wieder gute, sehr gute und unterschiedliche Resultate zu erzielen. Seine Vision zu realisieren, seine Kunst sichtbar zu machen. Seine Stimme hörbar zu machen. Warum ist das so? Ich meine, jeder hat heute Zugang zu mächtigen Produktions- und Distributionsmitteln. Jeder hat eine Kamera. Aber nicht jeder hat eine Vision. Oder die Fähigkeit, diese zu artikulieren. Gib zwei unterschiedlichen Menschen denselben Stift, dasselbe Papier. Der eine macht große Kunst daraus, während der andere einen besseren Stift haben will, mit dem er dann den großen Wurf macht.

In der Fotografie ist es nicht anders. Warum auch. Das führt mich zu diesem konkreten Fall: Wenn du um die Basics von Licht und Schatten weißt, das Inverse Square Law kennst kannst du einen weißen Hintergrund grau, dunkelgrau oder nahezu schwarz werden lassen. Oder du kannst – wie im obigen Fall – einen Verlauf erzeugen. Du musst eben nur wissen, wie.

Genau weil dir nur wenige Mittel zur Verfügung stehen, wirst du beginnen, mit den Möglichkeiten zu spielen, die sie bieten. Du lernst, außerhalb der Box zu denken. Mehr Ausrüstung ist da schon fast hinderlich. Du solltest dich also fragen, welche Parameter du in diesem technisch relativ Rahmen ändern kannst, und welche Auswirkungen dieses Spiel hat. Dann nämlich öffnen sich neue Türen.

Ein denkbar einfacher Aufbau

Das obige Bild zeigt es ganz gut: Winkle deinen weißen Hintergrund an, und schau, was passiert. Deine neuen Freunde sind nicht mehr Megapixel, neue Bildstabilisatoren oder besseres Rauschverhalten. Das sind falsche Freunde, wenn es um das Entdecken deines Potenzials geht. Deine neuen Freunde sind viel eher Abstände, Positionen und Winkel von Kamera, Licht und Hintergrund zum Motiv.

Ich hoffe, das Beispiel hat es ganz gut ‚rübergebracht. Einfach machen – das lässt sich auf 2 Arten interpretieren: 1. Lege einfach los, mach‘ Fehler und entdecke auf diesem Weg Neues; 2. Überfordere dich nicht mit Ausrüstung. Nimm das einfachste Setup, Objektiv, Licht, Hintergrund oder was auch immer – und mache etwas daraus. Du merkst, dass auch schon die einfachen Kombinationen komplex werden können. Du wirst sie meistern und daran wachsen.

Es ist unschwer zu sehen: Mein Ding ist gerade der weiße Hintergrund und die Möglichkeiten, die er bietet. Seitdem ich – eher durch Zufall – entdeckt habe, dass weiß nicht weiß sein muss, fasziniert mich die Komplexität im Einfachen. Die Entdeckung der Möglichkeiten. Oder besser: die Flexibilität, die sich entfaltet, wenn du dein Augenmerk nicht mehr auf die technische oder Ausrüstungsseite legst (ja, G.A.S. lauert an jeder Ecke, ich weiß), sondern dein Wissen oder deine neuen Erkenntnisse einsetzt. Dein Wissen, aber auch oder vor allem dein Nicht-Wissen und den Mut, die Neugier, Fehler zu begehen und daraus deine eigenen Erkenntnisse zu gewinnen.

Mir fiel z.B. erst bewusst auf, dass ich einen dunklen Hintergrund erzeugen kann, als in einer Headshot-Session das Hintergrundlicht ausfiel. Beim anschließenden Durchsehen der Bilder vor Ort entschieden wir dann, mit dem dunklen Hintergrund (sprich: ohne weitere Blitze außer dem einen) weiterzuarbeiten.

Headshot mit einem Licht

Hinterfrage vermeintliche Regeln, spiele mit ihnen, fotografiere vor einem schrägen Hintergrund. Ändere deine Perspektive, deine Sichtweise, wortwörtlich. Diese Offenheit gegenüber vermeintlichen Fehlern wird dir helfen, zu einem besseren Künstler zu werden. Chris Marquardt hat es in einer früheren Podcast-Folge auf den Punkt gebracht.

Wenn du lernen möchtest, wie du mit wenigen Mitteln tolle Portraits machen kannst, ist vielleicht der Workshop „Ein Licht“ etwas für dich!

Info und Buchung: Workshop „Ein Licht“

5 Responses
  1. FLo

    Nice ….. Mich umtreibt abermals eine Überlegung zu Wiederholung Wiederholung Wiederholung … und die Frage danach, wie – unter welchen Umständen / an welchem Punkt – etwas anders sein muss, um ein Muster aufzubrechen … … Wahrscheinlich passiert das im „künstlerischen Prozess“ nur dort, wo man sich an etwas abarbeitet, es immer wieder wiederholt und man versucht, das Moment heraus zu kitzeln, an dem plötzlich tatsächlich etwas kippt … vielleicht das Verhältnis von Form und Inhalt ?

    1. Hallo Flo,

      danke für den kurzen Kommentar, der es aber in sich hat…
      Ich kann für mich sagen, dass sich erstmal bestimmte (gute) Muster etablieren müssen. Durch Wiederholung, ganz richtig. Die Frage ist, wann „kippt“ etwas? Wenn ich einen vermeintlichen Fehler mache, vielleicht. Oder meine innere Einstellung zu der Wiederholung kippt. Neo Rauch hat in einer Dokumentation mal vom „Wiederholungsekel“ gesprochen. Das könnte es z.B. auch gut treffen. Wiederholung ist sicher eine Art Schlüssel zum kreativen Arbeiten. Mein Favorit zu diesem Thema ist nach wie vor ein Talk von Eileen Rafferty, den ich immer mal wieder gerne anschneide.

      Gruß, Tilman

  2. Jörg B.

    Für mich kippt etwas, wenn mich das Gefühl beschleicht, bzw. ich mich dabei ertappe, ich kopiere mich selbst. Ertrinke in Wiederholungen. Dann kommt der Abbruch und ich muß mich erst wieder heran tasten und die Leere im Kopf mit neuen Gedanken und Ideen auffüllen.
    Jörg B.

    1. Hallo Jörg,

      das Gefühl hast du gut in Worte gepackt – ich denke, dass man erst einmal die nötige Sensibilität dafür entwickeln (oder haben) muss, um zu merken, dass Zeit für Veränderungen gekommen ist…

      Gruß,
      Tilman