Ein paar morgendliche Gedanken zur Umsetzung von Bildern, Relevanz von analoger oder digitaler Fotografie und ob das Ganze überhaupt einen Unterschied macht.

Ein Beispiel: Wenn ich bestimmte Musik im Ohr habe und mir dazu Bilder vorstelle, sind es manchmal eher verzerrte Bilder. Gesichter, manchmal geschlossene Augen. Wie z.B. auf einer Tindersticks-Platte. Fast schemenhafte Portraits.

Wie würde ich sowas umsetzen? Längere Belichtungszeiten, Analoge Fotografie, Bewegen beim Vergrößern, Zerkratzen der Filme bzw. die Verwendung digitaler Filter. Wenn ich vorher schon weiß, wohin es gehen soll, ist dann eigentlich gleich, ob analog oder digital? Oder entscheidet sich das eben durch das Sujet?

Authentizität ist vielleicht nebensächlich, wenn es nur um den reinen Output geht. Aber es ist durchaus möglich, dass der Workflow (analog oder digital) den Workflow beeinflusst. Oder?

Die Frage beschäftigt mich schon länger: Ist es eigentlich egal, ob ein Bild analog oder digital entstanden ist, wenn das Ergebnis zählt und dich befriedigt? Oder ist die Frage an sich falsch gestellt? Sollte ich mir vielleicht vor einem Projekt überlegen, was besser „passt“? Anmerkung: Ich glaube, dass viele erfolgreiche und weniger erfolgreiche Fotografen jeglicher Couleur und Klasse eigentlich nicht darüber nachdenken, da sie ihren Workflow haben und diesen konsequent weiterverfolgen. Aber genausogut machen das andere Fotografen anders… Oder entscheide ich das aus dem Bauch heraus? Klar: Sobald der Faktor Zeit ins Spiel kommt, wird zur Digitalkamera gegriffen. Aber davon mal abgesehen, angenommen, du arbeitest losgelöst von Zeit und Geld und Aufträgen. Wie sähe es dann aus? (Witzige Parallele zum BGE: „Wie würdest du Fotografieren, wenn für dein Einkommen gesorgt wäre?“ ;-).)

Analoger Luxus

„Analog ist wie Urlaub“ sagte Jörg Oestreich einmal auf der Analogkneipe. Das fasst ja schonmal ganz gut einiges zusammen; wenn man Urlaub als „Herunterfahren“ begreift, ist das schon fast eine Art Luxus angesichts von Smartphonefotografie, Instagram und sofortiger Distribution im Netz.

Das bringt für mich einen weiteren Aspekt ins Spiel, den Begriff der Achtsamkeit. Gut möglich, dass sich bei analoger Fotografie automatisch (?) eine Art Achtsamkeit, verändertes Bewusstsein einstellt. Natürlich kannst du auch achtsam mit deiner DSLR oder dem Smartphone fotografieren. In dem Fall musst du dich selber erst einmal bremsen (= überlegen, bevor du den Auslöser drückst). Analog bist du dazu gezwungen.

Macht es Sinn, „cleane“ digitale Dateien so zu bearbeiten, dass sie später analog aussehen, wie Film, schwarzweiß, grobkörnig? Klar, es gibt immer gewisse Trends, und wenn es gut aussieht und die Bildaussage unterstützt, warum nicht, oder? Ich selber benutze auch gerne alle möglichen Snapseed-Filter (Grobkörniger Film z.B.). Just for Fun. Herumspielen. Nur durch das Spielen wirst du Dinge entdecken, Dinge falsch machen, aber auch bestimmte Momente haben, in denen du innehältst und sagst: Wow. So hatte ich mir das zwar nicht vorgestellt, aber es ist ziemlich cool. Wertvolle Momente.

Und das ist ja auch das Geniale an digitaler Fotografie: Dass du im Prinzip alles ästhetisch so realisieren kannst, wie du es dir vorstellst. Analog setzt du dir da ein paar natürliche Grenzen, was toll ist, wenn du weißt, worauf du dich einlässt. Für ein kommendes Projekt, das ich bereits angesprochen hatte, hatte ich sofort Bilder im Kopf: Harte, grobkörnige Schwarzweißbilder. Auf Papier. Da ich mir dafür viel Zeit nehmen werde und kann, wird es auf Film realisiert. (Bevor ich es vergesse: Es wird eine Dänisch-Deutsche Partnerarbeit zwischen dem Fotografen Mikkel Hoek und mir werden.)

Wie auch immer: Ich denke, es ist eine großartige Zeit, in der wir leben – ästhetisch-technisch gesehen. Jeder hat prinzipiell Zugang zu hochwertigen „Produktionsmitteln“, muss dabei natürlich wissen, wie er/ sie diese nutzt – beim Smartphone einmal angefangen, zum Beispiel. Zugleich hat man die (Qual der) Wahl zwischen alter und neuer Technik. Die Entscheidung, sich aus diesem analog-digitalen Gemischtwarenladen das „richtige“ Tool herauszusuchen, kann schwer fallen. Beschränkung (bewusste) kann dabei sehr hilfreich sein.

Ich finde es schön zu sehen, dass ich immer mehr Enthusiasten auf den analogen Pfad begeben, auch in meinem direkten Umfeld.

Und falls du dich angesprochen fühlst, schau doch mal bei der nächsten Analogkneipe (Termin folgt) ‚rein, oder schreibe mir einen Kommentar!

8 Responses
  1. Wäre ich ein Handwerker der alleine unter einem Waschbecken sitzt um seine Arbeit zu erledigen, dann wäre es egal.

    Ich habe einmal ein langes Interview von Jim Rakete gesehen. Ein Interview in dem er seine Arbeitsweisen Beschrieb. Ich erinnere mich daran, das er etwas sagte was in diesem Zusammenhang sehr gut den Unterschied aufzeigt. Er beschrieb das jeder Mensch vor seiner Kamera eine ANDERE Art der Wahrnehmung hat. Jeder Mensch empfindet anders und fühlt sich anders wichtig und ernst genommen. Und ich glaube das ist wirklich der Punkt. Wenn ich einen Menschen fotografiere dann fühlt sich der eine durch eine grooooße Kamera völlig bedrängt weil er lieber im vorbeigehen wie zufällig fotografiert wird. Der andere nimmt das ganze gar nicht ernst und fühlt sich klein und unwichtig wenn er nicht mindestens von einer „Profikamera“ aufgenommen wird. Wieder ein anderer fühlt sich nur in Lomo wirklich gut weil ihn die Details und die hohe Auflösung einer digitalen Aufnahme irritieren und ihn sich unwohl fühlen lassen. Ich denke, man muss sich also den Menschen vor der Kamera ansehen oder sich besprechen um am ende den Unterschied wirklich zu sehen.

    Genau das gleiche gilt natürlich für „un“menschliche Fotografie. Eine Gallerie wird mit Sicherheit ein einzigartiges analoges Produkt einem digitalen Massenprodukt vorziehen. Während ein Magazin oder eine Agentur heutzutage gerne die digitale Massenvielfahlt nimmt wenn sie kann. Wie sieht es aber bei mir selbst aus.

    Ich vergleiche das gerne mit den Radsportamateuren. Wenn man es einmal genau betrachtet und man den „Sieg“ in einem Wettbewerb einmal außen vorlässt, wäre ein altes rostiges und viel zu schweres Fahrrad zumindest im Training viel sportlicher als ein supermodernes leichtlauf Designfahrrad würde man denken. Aber es ist auch hier eine frage der Motivation und der Lust. Und auch hier gibt es Tendenzen zu den alten unglaublichen Fahrrädern der holländischen Edelschmieden.

    Ich denke schon das es ein sehr großer Unterschied ist, mit welchem Medium ich ein Bild mache und sogar mit welcher Kamera. Wenn jemand alle Möglichkeiten hat und beherscht, dann sieht er den Unterschied sehr deutlich.

    1. Danke für deine Sicht der Dinge, Jörg! Gut, das auch mal aus der Perspektive vor der Kamera zu sehen. Den Vergleich mit dem Radsport finde ich originell, aber das kommt der Sache hinsichtlich Motivation (Stw. „Komfortzone“) schon recht nahe.

  2. Ich finde ja, Du hast alle bedenkenswerten Fragen gestellt und Jörg hat noch eine wesentliche beigetragen.
    Für mich kommt es maßgeblich darauf an, welches Medium ich einigermaßen beherrsche, die Bilder die ich zu einem Thema gedanklich bekomme, auch in die Tat umzusetzen.

    Beispiel: Ich soll im Frühling Bilder für eine Folkband machen und hab auch schon ein Bild im Kopf, welches ich umsetzen möchte. Der erste Gedanke war natürlich, dass es analog gemacht werden muß … jedoch
    bin ich da noch nicht und gehe es deshalb für mich auf die „herkömmliche“ Weise an.

    Wenn das Ergebnis dann so wird wie ich es mir vorstelle und die Bilder dem Leuten auch gefallen, ist für mich alles gut. Das Ergebnis muß eben eine Ausstrahlung haben, das ist das wesentliche.

    Also, jeder und jede sollte auf die Art und Weise fotografieren, die Ihn oder Sie weiterbringt um das beste herauszuholen. Ein Blick über den Tellerrand um neue Arbeitsweisen abzuchecken finde auch immer klasse … alles ist erlaubt.

    1. Hi Matthias, witzig und schön, dass du „digital“ mit „herkömmlich“ bezeichnest ;-)! Versuche doch mal beides parallel zu machen, für dieses Bandprojekt. Wenn es die Zeit hergibt, natürlich …

      1. Das war auch mein erster Gedanke, jedoch müßte ich dann auch zweierlei Lichtsettups realisieren und das lenkt mich zu sehr vom eigentlichen Ziel ab.

        Im Moment macht es mir auch unglaublich Spaß mit PS CC rumzuprobieren. 😉 ich hab dazu schon eine genaue Vorstellung und kann es gar nicht abwarten diese umzusetzen.

  3. Ich weine der analogen Fotografie keine einzige Träne hinterher. Ich erinnere mich gut daran im Labor zu stehen, ständig mit dem Staub zu kämpfen, Belichtungsreihen zu erstellen, Nachbelichtungs- und Abwedelpläne zu erstellen, mit Selen zu tonen, abwarten bis die Bilder trocken sind, um das Ergebnis bei Tageslicht zu betrachten. Vorher die Kalibrierung vom Negativ (Belichtungs- und Entwicklungskombinationen durchtesten), Vergrößerer kalibrieren, Standards festlegen usw. Eigene Farbprints zu produzieren besonders mit Cibachrome, war schon anstrengend.

    Heute mach ich alles in Lightroom und Photoshop auf dem Stuhl mit einem Kaffee in der Hand vor dem PC. Ich brauche mich nur noch um die Kalibrierung meines Monitors zu kümmern. Und um das Farbmanagement in Photoshop. Life is good…

    1. Du hast ja tatsächlich einen tiefgehenden analogen Background und weißt, welche Arbeit eigentlich dahintersteckt. Für jemanden, der gerade die Filmfotografie für sich entdeckt, tut sich, so scheint mir, ein neues – seltsames – Universum auf…
      Ich kenne die Dunkelkammer aus meiner Lehre, habe dort auch tagelang am Stück verbracht. Als dann Photoshop und Konsorten auftauchten, war das für mich auch wie eine Erlösung. Aber heute wiederum erscheint mir der Gedanke, wieder ins Rotlicht abzutauchen reizvoll… Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust ;-).