Es fängt immer so an: Ich fahre in die Stadt, ziehe los und benötige eine gewisse Zeit, um in den richtigen Modus zu kommen. Das dauert ca. eine halbe bis eine Stunde. Ich gehe durch die morgendlichen Straßen und lasse das langsam beginnende Treiben auf mich wirken. Fotografiere zunächst einfache Details.
Offenbar ist es aber normal, dass da jemand in der Stadt herumrennt und fotografiert, und so fühle ich mich in der Rolle des Beobachters und Dokumentierenden zusehends wohler. Man kann auch sagen, dass es anfängt, sich normal anzufühlen.
Nach ungefähr einer Stunde steuere ich auf einen mittelalten Mann zu, der an einer Ecke auf etwas wartet, vermutlich wird er zur Arbeit abgeholt. Frage: „Entschuldigen Sie die Störung. Ich mache ein Buch über Flensburg, kann ich sie fotografieren?“ „Fotografieren? Mich? Nee.“ Naja. Immerhin ist er nett. Ich sage noch, dass er es sich ja gerne überlegen kann, ich sei öfter in der Gegend.
Ein paar Schritte weiter, am Nordertor. Ich sehe eine verlassene volle Edekatüte mitten auf dem Weg liegen, erwarte schon etwas sehr interessantes, was dann auch kommt. Ein vermutlich Obdachloser trommelt auf einer Dose herum und gibt auf französisch so etwas wie „los, weiter“ von sich. Er schaut mich an, sieht aber meine Kamera nicht. Ich lächle und radebreche etwas auf französisch. Er ist ungehalten, wird immer aufgebrachter und sagt, dass ich das Maul halten und mich endlich verpissen soll. Nun gut. Nicht sein Tag, offenbar. Ich entschuldige mich (wofür auch immer) und gehe weiter.
Drei Gehminuten später sehe ich am Straßenrand einen Mann mit Gitarre sitzen. Ich hatte ihn ein paar Tage zuvor schon an der Ampel gesehen und denke: „Der ist es“. Ich spreche ihn an – er sitzend, ich hocke mich hin, Stichwort „Augenhöhe“. Ein Wortwechsel: „Fotos? Kostet 5 Euro.“ – „Hm, ich überlegs mir“ – „Ein Buch über Flensburg… das haben doch schon viele gemacht, was willste denn damit. Außerdem: weißt du, wieviele mich jeden Tag am Südermarkt fotografieren?“ – „Da kannste ja auch nicht weglaufen, wenn du Gitarre spielst. Außerdem mach ich keine Touri-Fotos“ – „Na, nun mach mal’n paar Bilder“. Aus der anfänglichen Skepsis wurde Sympathie. Nach der kleinen Fotosession saßen wir noch etwas zusammen an der Straße und er erzählte mir, dass er auch Künstler sei und man auf Bildaufbau und so achten solle. Klar.
2 Tage später treffe ich ihn wieder, gebe ihm einen 10×15-Abzug. Er ist hocherfreut, schwarzweiß sei ja eh besser als Farbe und das Bild sei toll. Ich könne ihn jederzeit wieder fotografieren, wenn ich wolle. That really made my day. Echt. Oh und ich hatte nur 4 Euro bezahlt ;-).