Wann berührt dich ein Bild? Unabhängig davon, ob du es selbst gemacht hast oder ob es eins ist, das du irgendwo siehst?
Ich denke, ein Bild kann technisch und gestalterisch noch so ausgefeilt sein. Ohne eine inhaltliche Komponente ist es eine leere Hülle. Spontan würde ich für ein Bild verschiedene Ebenen proklamieren: Zunächst wäre da eine Formebene und eine Inhaltsebene. Oder Komposition und Sinnebene. Darüber hinaus kann man noch weitere Ebenen (oder „Seiten“) festmachen, eine emotionale, die auf den Betrachter wirkt und eine, die etwas über den Künstler aka Fotografen aussagt (Das deckt sich in etwas mit der 4-Augen-Perspektive von Martin Zurmühle, wobei das sicher nicht das einzige Modell ist, um Bilder zu analysieren).
Du könntest jetzt aber einwenden, dass manche Künstler irgendwann ausschließlich auf einer Ebene gearbeitet haben, und ihre Arbeiten gehören zu den bekanntesten Kunstwerken. Wie kann das also zusammenpassen? Haben Bilder oder Kunstwerke, die offenbar nur aus Form und Gestaltung bestehen, ihre Berechtigung? Wenn diese Fragen bei dir auftauchen, siehst du, dass es ist nicht so einfach möglich ist, Bilder lediglich aufgrund ihres bloßen Daseins zu beurteilen oder Bilder zu machen, die eine gewisse Anerkennung finden.
Kunst – und natürlich zähle ich Fotografie als Kunstform dazu – zeichnet sich immer durch Bewegungen und Gegenbewegungen aus, sowie durch Strömungen und Weiterentwicklungen innerhalb dieser. Häufig sind sie als Antwort auf gesellschaftliche Prozesse oder künstlerische Krisen zu sehen. Es gibt immer eine zeitliche Komponente, einen zeitlichen Zusammenhang, in dem eine Kunstform zum Beispiel als Antwort auf eine andere zu betrachten ist. So ist der Impressionismus als Reaktion auf den Realismus zu sehen, der künstlerische Minimalismus als Gegenbewegung zum Abstrakten Expressionismus.
Das oben genannte Beispiel – ein Kunstwerk, das nur aus der reinen Form besteht – hätte dann eben doch eine inhaltliche Aussage: Nämlich die Negierung der vorherigen, nach Inhalten und Bedeutung suchenden Strömungen.
Nun wirst oder willst du aber keine neue Kunstepoche einläuten.
Du willst „einfach nur“ Bilder machen, die vor allem dir etwas sagen und dir gefallen, aber möchlicherweise auch Anderen. Daher mein obiger Kurzausflug in die Kunst, der bestimmt etwas abstrakt ist und auch grob verallgemeinert. Aber ich möchte damit deutlich machen, dass man ein Kunstwerk oder auch eine Fotografie selten (oder nie?) isoliert betrachten kann. Selbst wenn man es versucht: Auch das eigene Bildergedächtnis ist kein unbeschriebenes Blatt. Jedes Bild, das du siehst, siehst du entweder in tatsächlichen Zusammenhang mit anderen Bildern (physisch in einer Ausstellung, ansonten auf Flickr bzw. 500px oder sonstwo), oder eben mit den Bildern, die du bewusst oder unbewusst in deinem Gedächtnis hast.
Was sagt dir das als Fotografen? Musst du jetzt alle Bilder auf einen möglichst sinnvollen Gehalt prüfen, müssen die jetzt alle mit Substanz daherkommen?
Frag dich einmal konkret, was dich berührt. Wenn du Dinge fotografierst, die dich auf emotionaler Ebene ansprechen, oder es auch noch schaffst, Emotionales inhaltlich zu verpacken und auch noch formal zu gestalten, dann ist das schon ein Schritt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich jemand anders von einem Bild berührt fühlt, das du entsprechend gestaltet und mit Inhalten gefüllt hast, die dich ansprechen, ist dann höher. Aber auch hier will ich keinesfalls sagen, dass Bilder große Emotionen auslösen müssen. Die konzeptionelle Arbeit der Bechers über alte Industrieanlagen sind emotionslos, sachlich. Und genau diese Nüchternheit macht sie aus, ist charakteristisch und essenziell. Und wichtig ist auch, dass Künstler wie Bernd und Hilla Becher seriell gearbeitet haben.
Gegen die Postkarte!
Wenn du selbst nun den 1000. Sonnenuntergang fotografierst, der dich immer noch berührt, wird es schwierig (meine Meinung), aber wenn du es schaffst, dich von den Allgemeinplätzen (=Postkartenmotiven) zu lösen, ist auch das ein ganz wichtiger und wertvoller Schritt. Und ja, du könntest auch tatsächlich 1000 Sonnenuntergänge fotografieren – entweder vom selben Ort aus oder von 1000 verschiedenen Orten. Dann arbeitest du schon konzeptionell. Ich gehe davon aus, dass sich jemand findet, den auch so eine Arbeit berühren wird.
Mir ist bewusst, dass ich hier einiges vermische und vergleiche. Serielle und konzeptionelle Arbeit auf der einen und Einzelbilder auf der anderen Seite sind schwer vergleichbar. Aber mir geht es darum, das, was für das Große zu beobachten war und ist – Kunstströmungen, Gegenbewegungen, Reaktionen – auch für das „Kleine“ gelten kann. Gerade heute sind es immer mehr Kulturschöpfer, die ihre Werke ohne Gatekeeper veröffentlichen. Und gerade weil es so einfach ist, die eigenen Arbeiten zugänglich zu machen, ist es umso wichtiger, ihren Gehalt zu überprüfen. Form und Gestaltung sind zwar wichtige Pfeiler, auf die sich deine Bilder stützen. Gestaltung will stets geübt und weiterentwickelt werden. Dennoch: Ohne Sinn nützt auch die beste Gestaltung nichts.
[…] was eigentlich wichtig und essentiell für das eigene Schaffen ist. Ich selbst habe dazu auch mal einen Blogartikel verfasst (der tatsächlich als Text im 12. Jahrgang eines Hamburger Gymnasiums bearbeitet […]