Intuition, Absichtslosigkeit, Zen, Gras

Das Thema „Intuition“ lässt mich nicht so richtig los. Wenn ich auch bereits über Intuition in der Streetfotografie geschrieben habe, ist mir, als würde mir jetzt bewusst, dass sie mich bei der einen oder anderen Aufnahme begleitet hat. Und das im Nachhinein Interessante dabei ist, dass alle Fotos aus purer Absichtslosigkeit entstanden sind.

Das wurde mir allerdings erst gestern so richtig bewusst, als ich einen weiteren Teil der Reihe zum Thema „Intuition“ sah, in der ein Klangforscher (mit dem herrlichen Namen „Lauterwasser“) eine Geschichte von einem chinesischen Kaiser erzählte, der verschiedenste Boten aussandte, um eine wertvolle Perle zu finden. Jedoch war es am Ende die „Absichtslosigkeit“, die die Perle fand. Weder Verstand noch Sehen noch Wille vermochten sie zu finden. Zu dieser Anekdote fiel mir dann auch noch der Ausspruch aus Sambia ein: „Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.“

Manche Dinge lassen sich nicht bewusst oder gewollt herbeiführen oder erzwingen. Klar, manchem erfolgreichen Bild geht eine sorgfältige Planung voraus und das eine oder andere erfolgreiche Bild lässt sich vielleicht unter der Kategorie „Zufallstreffer“ einsortieren. Aber das meine ich nicht.

„Erfolgreiche“ Bilder dank Intuition?

In den vergangenen Monaten habe ich einige Aufnahmen als großformatige Drucke verkauft. Ich hätte vorher niemals gedacht, dass so etwas passieren würde. Natürlich sind dies alles Aufnahmen, die ich bewusst gemacht habe. Von denen ich auch vorher bereits wusste, wie sie später aussehen würden (Nebenbei: Sie sind alle komplett unbeschnitten). Manche sind aus Langeweile und Spielerei, andere wiederum spontan und im Vorübergehen entstanden, man könnte auch sagen „intuitiv“. Aber keins davon mit der Absicht oder der Idee, sie einmal verkaufen zu können.

Bei den meisten dieser Bilder (ja ok, wir reden hier von sieben Aufnahmen) hatte ich während oder nach der Aufnahme das Gefühl oder gar das Bauchgefühl, dass das Bild „stimmt“. Was ich daran ebenso interessant finde, ist, dass sich dies offenbar üben, wenn auch nicht eins zu eins wiederholen lässt. Indem ich mir die Situationen – vor allem auf der Straße, wo Dinge im Vorbeigehen und spontan passieren – noch einmal vor Augen führe, haben sie gemein, dass ich mit einem hohen Grad an Aufmerksamkeit unterwegs war. Und das, ohne etwas Bestimmtes zu suchen.

Zwei der Bilder sind mit einem alten iPhone 4 entstanden. Bei dem einen stand ich an der Ampel, sah den Regenschirm und drückte zweimal ab. Ein Bild davon saß, ohne dass ich analysierte oder bewusst gestaltete. (Nebenbemerkung: Ganz gleich, mit welcher Kamera du gerade unterwegs bist. Qualitativ sind auch die aktuelleren Smartphonekameras bei normalen Lichtverhältnissen ausreichend.)

Es mag etwas Zenmäßiges haben, denn es klingt widersprüchlich: Wenn du die Absicht hast, ein gutes Bild zu machen, sei absichtslos. Das Absichtslose, Intuitive ist jedoch nicht mit Passivität zu verwechseln – im Gegenteil. Es ist ein Zustand höchster Aufmerksamkeit, der sich nicht erzwingen aber üben lässt.

3 Responses
  1. Interessante Ansätze zu dem Thema.
    Ich merke immer wieder, dass ich noch zuviel beim Fotografieren nachdenke und zu wenig „aus dem Bauch heraus“ entscheide.
    Mir helfen momentan die alten Linsen, meine Komfortzone zu verlassen und einen neuen Weg zu gehen.
    Langsamer, ruhiger, bedachter.
    Der Grund? Meine Intuition sagt mir, dass ich das Richtige tue.
    Für mich und für meine Art, Bilder zu gestalten und Dinge zu sehen.
    Und dem Wettlauf mit der Technik zu trotzen.

    1. Tilman

      Ich glaube, dass solche „Bauchmomente“ auch eher rar sind. Aber klar, da ich auch mit altem Glas fotografiere, bin ich auch langsamer. Ich merke dennoch, dass ich manchmal zu ungeduldig bin, um mich auf den Moment zu konzentrieren. Wie gesagt, auch das ist eine Sache der Übung…