Wo soll ich anfangen, wenn ich das Abstandsgesetz erklären will? Schon länger plane ich, einen Post zum Thema Abstandsgesetz zu schreiben. Ein trockenes Thema, und unsexy. Aber ich glaube, dass es der Schlüssel zum Verständnis von Licht – insbesondere vom Blitzlicht – ist.
Als ich begonnen hatte, die Reihe zum Inverse Square Law zu fotografieren, merkte ich, wie wenig ich selber darüber wusste. Also habe ich mich selbst nochmal eingelesen, um es selber zu kapieren und auszuprobieren.
Was tun, wenn du kein Model hast? Nimm das, was dir in die Fänge gerät. Am besten etwas mit Textur, etwas Körperliches, 3-Dimensionales, das sich gut hinstellen oder -legen lässt.
Wie habe ich mir das Abstandsgesetz selber veranschaulicht?
Zunächst habe ich das Glück, ehrenamtlich in einer Galerie zu arbeiten, die viele unterschiedliche Objekte bietet. Ich entschied mich für eine kleine Skulptur von Sarah Kürzinger, deren Kopf jedoch einigermaßen formatfüllend in meinen Sucher passte.
Die Position der Kamera und des Objektes blieben konstant (bis auf das letzte Bild, da ich den Abstand zum Blitz vergrößern musste). Ebenso blieb auch die Blitzleistung konstant. Verändert habe ich an der Reihe die Blendenöffnung und den Abstand Blitz -> Objekt. Insgesamt habe ich 8 Aufnahmen gemacht, mit diesen Parametern:
BILD | BLITZ | ZEIT | BLENDE | ABSTAND |
---|---|---|---|---|
1 | 1/32 | 1/180s | 16 | 0,5m |
2 | 1/32 | 1/180s | 8 | 1,0m |
3 | 1/32 | 1/180s | 4,5 | 1,5m |
4 | 1/32 | 1/180s | 4 | 2,0m |
5 | 1/32 | 1/180s | 3,5 | 2,5m |
6 | 1/32 | 1/180s | 2,8 | 3,0m |
7 | 1/32 | 1/180s | 2,5 | 3,5m |
8 | 1/32 | 1/180s | 2 | 4,0m |
(Es spielt übrigens keine Rolle, in welchen Abständen du fotografierst, um es dir selbst zu veranschaulichen. Ich hätte auch in 30cm- oder 1m-Schritten vorgehen können.)
Kurze Erklärung zur Tabelle: Du siehst, dass Blitz und Zeit über die gesamte Reihe konstant bleiben. Mit zunehmendem Abstand vom Blitz zum Objekt habe ich jedoch die Blende geöffnet, um auf dem Gesicht eine gleichbleibende Belichtung zu haben.
Siehst du dir die Werte der Bilder 1, 2, 4 und 8 an, fällt dir folgendes auf:
- Der Abstand Blitz <-> Motiv wurde jeweils verdoppelt
- Die Blende musste ich jeweils um 2 Stufen öffnen, um eine korrekte Belichtung im „Gesicht“ zu erhalten.
Da jede Blendenstufe immer das Doppelte der Lichtmenge hineinlässt, macht das bei zwei Blendenstufen das Vierfache.
Verdopple ich also den Abstand von der Lichtquelle zum Objekt, benötige ich das Vierfache an Licht, um die gleiche Belichtung zu bekommen. Oder anders gesagt: Bei doppeltem Abstand verringert sich die Lichtmenge, die beim Objekt ankommt auf ein Viertel.
Zweiter Versuch. Mit Mensch.
Das Ganze habe ich einen Tag später nochmal vor schwarzem Hintergrund gemacht, in einer verkürzten Reihe. Diesmal waren die Abstände 1m, 2m und 4m. Belichtungswerte habe ich genauso wie beim ersten Beispiel gelassen. Um außerdem ein realistischeres Szenario zu haben, habe ich ein Model besorgt :-).
Wie du siehst, ist das Ergebnis von der Helligkeit her zwar etwas unterschiedlich. Das liegt meines Erachtens daran, dass ich nicht unter Laborbedingungen gearbeitet habe und das Blitzlicht mit zunehmender Entfernung auch weiter streut. Umgebungslicht schließe ich aber aus, das habe ich überprüft. Eine exakte Prüfung wird wohl nur der Blitzbelichtungsmesser liefern (Beitrag folgt).
Dennoch erkennst du, wie eklatant sich der Schattenverlauf im Gesicht ändert. Besonders gut kannst du es an der Nase und am Übergang der Wange zum Ohr sehen. Wohlgemerkt, ich habe immer dieselbe Lichtquelle benutzt, keinen Lichtformer.
Einigermaßen klargeworden? Habe ich mich verständlich ausgedrückt? Vielleicht hilft hier auch noch ein anderes Praxisbeispiel, das unten folgt.
Was bedeutet das aber für mein Bild?
Ich versuche meinen Workshop-Teilnehmern klarzumachen, dass es bei einem Bild – vor allem bei Portraits – immer auch auf die Schatten ankommt. Ich muss mir also die Frage stellen: Wie soll der Schattenverlauf im Gesicht sein, soll es überhaupt Schatten geben? Soll es einen Schlagschatten auf dem Hintergrund geben? Usw. Wo Licht hinfällt, entsteht Schatten. Wie jedoch dieser Schatten aussieht, bestimmt das Licht, oder genauer die Lichtqualität.
Siehst du dir noch einmal das erste und das letzte Bild an, achte mal auf die Verläufe der Schatten. Die Schatten werden aufgehellter, weniger „dicht“ als beim ersten Bild, aber auch etwas härter bzw. schärfer. Ist die Lichtquelle nah am Objekt, sind die Schatten dichter, die Übergänge jedoch weicher (was bei dem scharf konturierten Material der ersten Reihe allerdings nicht so auffällt).
Da ich zuerst ohne neutralen Hintergrund fotografiert habe, bekommt auch der Raum immer mehr Licht ab, je weiter ich das Licht vom Objekt wegbewege. Das kann dann interessant werden, wenn ich den Eindruck von Tageslicht erzeugen möchte.
Wie kann ich das Prinzip in der Praxis nutzen?
Nur ein kleines Beispiel: Als ich Headshots von Mitarbeitern einer Softwarefirma machte, hatte ich nur einen Blitz sowie einen Durchlichtschirm dabei. Dennoch habe ich den Hintergrund ohne viel Aufwand hellgrau bekommen. Die Situation war so, dass ich mich in einem recht niedrigen und schlecht beleuchtete Raum mit heller Raufasertapete befand. Keine guten Voraussetzungen, aber den Bildern sieht man es nicht an.
Ich wusste, dass die Intensität des Lichts bei weiter entfernten Objekten, die einander näher sind als dem Licht selbst, nahezu gleich ist. Die Theorie konnte ich dann umsetzen, indem ich die jeweilige Person einen bis anderthalb Schritte von der Wand platzierte, den Blitz jedoch dafür 2-3 Schritte (Es lohnt sich, vorher auszuprobieren, bis du die optimalen Abstände gefunden hast). Was man nicht sieht, ist, dass ich die Person nahe der Zimmerecke platziert habe, die mir als „Aufheller“ diente. So konnte ich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen.
Umgekehrt habe ich aber auch die Möglichkeit, einen weißen Hintergrund in unterschiedlichen Grauabstufungen abzubilden. Dazu muss ich lediglich mein Model weiter von der Wand entfernen und näher ans Licht holen, so wie ich es für ein anderes Business-Portrait gemacht habe. Ohne Wissen um das Abstandsgesetz hätte ich hier wesentlich länger gebraucht, um das optimale Ergebnis zu bekommen.
Fazit
Das Wissen, dass es das Inverse Square Law (zu Deutsch: Abstandsgesetz) gibt, und wie es anzuwenden ist, ist von unschätzbarem Wert. Wenn du meinst, dass es reicht, einen guten Blitz zu haben, eine Softbox, und dann wird das schon gut – denke besser noch einmal darüber nach. Wenn du weißt, wie sich Licht in unterschiedlichen Abständen auf dein Bildmotiv auswirkt, wirst du mit einem ganz anderen Bewusstsein fotografieren. Ich wage sogar zu behaupten, dass es ein Mittel sein kann, seinen eigenen Stil zu finden und auszubauen.
Lust auf mehr? Im August gebe ich einen Workshop zum Thema Licht, wo wir u.a. dieses Thema ausführlich behandeln werden.
Ja, theoretisch ist das alles sehr gut nachvollziehbar. Praktisch ist das für jemanden, der damit nicht regelmässig umgeht, schwierig umzusetzen. So ein Workshop ist mit Sicherheit ein sehr guter Einstieg, aber man wird wohl nicht umhin kommen, seine eigenen Erfahrungen zu machen und die verschiedenen Situationen immer wieder zu trainieren. Wenn es schnell gehen muss und alle warten tippelnd, wann es denn jetzt endlich losgeht, muss das sitzen. 🙂 Wenn ich es richtig verstehe, muss ich dann auch bei grösserer Entfernung zum Motiv meine TTL-Korrektur, sofern ich TTL benutze, anpassen, weil ja mein Motiv richtig beleuchtet werden soll und nicht der Hintergrund stärker ausgeleuchtet. Bringt dann TTL bei Entfernungsänderungen überhaupt was, wenn ich genaue Vorstellungen vom Schatten und der Hintergrundhelligkeit habe? TTL misst ja nur die Gesamthelligkeit, wenn ich es richtig verstehe!? Fragen über Fragen….
Hallo Michael, das ist tatsächlich einer der Fälle, wo die Theorie sehr grau ist und das ganze praktisch geübt und angewandt werden will.
Um das zu verinnerlichen und auch in der Praxis anzuwenden, ist es unerlässlich, rein manuell zu arbeiten. Nur dann hast du die volle Kontrolle über das Licht und schlussendlich über das Bild bzw. die Reihe.
TTL ist hier m.E. nicht angebracht, weil es keine reproduzierbaren oder konsistenten Ergebnisse erzeugt. Generell setze ich TTL nur ein, wenn ich den Blitz auf der Kamera habe und bounce (mit dem Black Foamie Thing, versteht sich).
[…] auf die Blitzbelichtung? Und was ist denn bitte schön das “Abstandsgesetz” (oder auch inverse square law)? Das alles waren Fragen, die wir auf dem Workshop zusammen bearbeitet haben, um ein Fundament zu […]
[…] Das führt mich zu diesem konkreten Fall: Wenn du um die Basics von Licht und Schatten weißt, das Inverse Square Law kennst kannst du einen weißen Hintergrund grau, dunkelgrau oder nahezu schwarz werden lassen. Oder […]
[…] findest heraus, wie sich das (eine) Licht auf den Hintergrund auswirkt. Wenn du dich einmal mit dem Inverse Square Law befasst und es verstanden hast, bist du in der Lage, mit nur diesem einen Blitz Hintergrund und […]
[…] 8 Bilder war es eine weiße Beamerleinwand, die von hell- bis dunkelgrau verläuft (denke an das Abstandsgesetz!). Es ist also nicht nötig, ein zweites Licht hinter deinem Model zu platzieren oder einen […]
[…] Tipp: Nicht nur mit den Lichtpositionen, auch mit den Abständen spielen. Was passiert mit den Schatten im Gesicht, wenn du mit dem Licht ganz nah’ rangehst? Werden sie dunkler, tiefer, aber gleichzeitig weicher im Verlauf? Was passiert parallel dazu im Hintergrund? Wird er heller oder dunkler? Genauso kannst du ausprobieren, was geschieht, wenn du die Lichtquelle weiter weg vom Menschen aufstellst. Was passiert mit den Schatten, was mit dem Hintergrund? Natürlich musst du jeweils auch die Blitzleistung anpassen (Genau hier kommt auch das Abstandsgesetz zum Tragen, erinnerst du dich?). […]