Mein Part für das Buchprojekt „Armut hat viele Gesichter 2.0“ ist kurz davor, abgeschlossen zu werden. Heute hatte ich drei weitere Besucher des Tagestreffs portraitiert. Unter anderem auch Jürgen.
Ich hatte ihn schon einmal vor der Kamera, wir haben ein ganz gutes Verhältnis zueinander. Als ich ihn das letzte Mal traf, meinte er zu mir, ich hätte ihn mal vor 10 Tagen sehen sollen. Da habe er ausgesehen wie vom Zug überrollt. Ein Mitbewohner – offenbar stark unter Drogen – hatte ihn verdächtigt, seinen Scheck gestohlen zu haben. Jürgen wurde mit einem Besenstiel verprügelt und die komplette Wohnung zerlegt. Ein paar Prellungen hat er noch immer, der mittlerweile Ex-Mitbewohner ist im Knast.
Jürgen ist auch der Mensch, mit dem ich voraussichtlich mein nächstes Projekt mache. Er hat früher selber gemodelt (ich erwähnte es bereits), und hat kein Problem mit Kameras.
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Was mir immer wieder mal passiert, wenn ich im Tagestreff bin: Ich werde gefragt, ob ich gerade eine Wohnung habe. Oder ob ich auch eine Wohnung suche. Vor allem dann, wenn ich mich eine Woche nicht rasiert habe. Oder ich ertappe mich selbst dabei, dass ich mich wundere, warum dieser oder jener im Tagestreff ist, obwohl er doch gar nicht aussieht wie ein Obdachloser. Ich habe meine Stereotypen im Kopf, wie jeder andere auch. Wie auch mancher Besucher des Tagestreffs: So höre ich bestimmt jedesmal, wenn ich dort bin, dass wieder einmal ein Asylbewerber die Wohnung bekommen hat und nicht derjenige, der sie vielleicht dringender benötigt – welche Kriterien man da auch immer ansetzen mag. Und so kann man immer wieder Zeuge werden, wie sich zum Beispiel ein deutschstämmiger Deutscher und ein türkischstämmiger Deutscher über die komfortable Unterbringung der Geflüchteten unterhalten und echauffieren.
Oder, wie es eine der dortigen Sozialarbeiterinnen ausdrückt: „Es findet sich immer noch jemand unter einem, auf den man treten kann“.
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