Wenn jemand vor deine Kamera tritt, kann es sein, dass da schon ein Lächeln ist. Dieses typische „bitte-lächeln“-Lächeln. Sobald die Kamera in Sicht ist, wird das Kamera-Lächeln aufgesetzt, und das ist – erstmal – ok. Allerdings solltest du dieses aufgesetzte Lächeln nicht für das nehmen, was es scheint.
Was willst du ausdrücken, wenn du ein Portrait mit einer positiven Ausstrahlung machen willst? Es soll diese gewisse Stimmung ‚rüberbringen, etwas Offenes und Ehrliches. Ein „Fake-Smile“ ist da so ziemlich das Gegenteil. Unbewusst erkennen wir so ein gekünsteltes Lachen: Die Augen lachen nicht mit. Jemand kann den Mund zu einem Lächeln formen. Doch das ist nicht, was du möchtest. Was also tun?
Ich sage mal so: Ein Mensch, der eher selten vor einer Kamera steht, ist sich extrem unsicher darüber, wie er sich zu verhalten hat und legt quasi sein Schicksal in deine Hände. Und lächelt grundsätzlich schon einmal, denn das kann ja so falsch nicht sein.
Deine Aufgabe (und meine) ist es, das Fake-Lächeln zu transformieren in ein schönes und herzliches Lachen. Ein Patentrezept gibt es dafür nicht. Aber ein Bestandteil dessen ist es, zu vergessen, dass da eine Kamera ist, die manchen Leuten tatsächlich etwas Furcht einflößt. Dein Model soll nicht für die Kamera lachen, sondern für den Menschen, der sich später einmal das Bild ansieht. Eltern, Geschwister, Personalchef, Headhunter, Oma oder wer auch immer. Da die aber nunmal nicht da sind, musst du als Fotograf die Rolle übernehmen, als eine Art Werkzeug fungieren, das einen ehrlichen und ungestellten Ausdruck durch die Linse auf den Sensor (oder Film – für die Analogfreaks) zu zaubern.
Verwickle dein Gegenüber in ein Gespräch
Small Talk. Ja ich weiß, Bauhaus sangen mal „Small Talk Stinks“. Aber das muss nichts bedeuten, denn es geht darum, deinem Gegenüber die Steifheit, das Unsichere zu nehmen. Zu zeigen, „hier sind zwei normale Individuen, die sich normal unterhalten.“ Allerdings kann das nur funktionieren, wenn du selber locker bist.
Den Schutzschild fallen lassen
In einem Workshop mit Chris Marquardt und Boris Nienke tauchte das Bild des „Schutzschilds“ immer wieder auf. Menschen vor der Kamera halten diesen so gut es geht immer vor sich – unbewusst und solange sie meinen, die Kontrolle zu haben. Diese Kontrolle kannst und musst du unterbrechen, und das geht, indem du hier und da mal etwas erzählst, was dein Gegenüber irgendwie beschäftigt, irritiert oder – tataa! – zum Lachen bringt.
Burst Mode
Sobald sich eine Regung abseits des „Kameragesichts“ ergibt, kann ich nur empfehlen, möglichst viele Bilder hintereinander zu machen. Gesetzt den Fall, du hast einen richtigen Klopper ‚rausgehauen, und dein Gegenüber kann sich nicht mehr halten: Du wirst eine schöne Reihe bekommen, aus der du die meisten Bilder nicht verwenden wirst – aber ganz wichtig sind diejenigen Bilder, die du bekommst, bevor und nachdem sich die Gesichtszüge dem Lachen komplett hingegeben haben. Warum dann die komplette Reihe fotografieren, fragst du? Du könntest das entscheidende Bild verpassen, ganz einfach.
Lach-Studie
Zur Veranschaulichung: Der Ablauf eines kleinen Lachausbruchs in 9 Bildern. Achte nicht nur auf den Mund, sondern auch auf die Augen. Wie du siehst, entsteht das ehrliche Lachen aus einem Zusammenspiel vieler kleiner Elemente und Gesichtsbereiche.
Es gibt es mehrere Phasen des Lachvorgangs, und je mehr Bilder du währenddessen machst, umso besser stehen die Chancen auf den „richtigen Moment“.
Ganz herzlichen Dank an Christin, die mir das OK gegeben hat, ihre Bilder zu verwenden!
[…] Wenn ich Menschen fotografiere, seien es Leute auf der Straße oder Business-Headshots, geht es mir immer um Echtheit, Offenheit, Authentizität. Allzuhäufig sehe ich draußen auf Plakaten oder in Anzeigen Portraits von Menschen, die ein gekünsteltes Lächeln im Gesicht haben, das im Endeffekt nichts aussagt (Was man unter anderem tun kann, um ein “Cheese”-Lächeln zu vermeiden, habe ich in diesem Artikel schon einmal beschrieben). […]