… und ich meine damit nicht (nur) meine Angewohnheit, belichtete Filme in einer Kiste über Jahre hinweg unbelichtet herumliegen zu haben. Denn das passiert, wenn man heute Street auf Film fotografiert. Mir jedenfalls. Aber um Film soll es hier gar nicht gehen.
Angeregt duch einen etwas despektierlich scheinenden Artikel von Andreas Herzau möchte ich kurz etwas zum Phänomen Streetfotografie (oder Straßenfotografie oder Street Photography) sagen.
Über allem steht doch irgendwie die Frage, warum ich heute Street fotografieren sollte. Und da kommt man irgendwann an den Punkt, sich zu fragen, wie ernsthaft man diese Art zu fotografieren betreibt. Es klingt romantisch, wenn jemand sagt „Ich war schon immer ein Straßenköter“ (wie ich es von einem Fotografen hörte, den ich kürzlich kennenlernte). Aber es kommt wiederum darauf an, wer das von sich sagt. Bin ich selbst ein Straßenköter, oder würde das von mir behaupten? Nein. Dem Menschen aber, den ich traf, und der auf ein sehr bild- und erfahrungsreiches Fotografenleben zurückschauen kann, nehme ich das ohne Weiteres ab.
Wenn ich den Artikel von Andreas Herzau lese, dann wird mir wieder bewusst, dass es da durchaus Unterschiede gibt. Fotografen seiner Couleur, die sich aus dokumentarischem und sozialem oder soziologischem Interesse mit der Kamera in die Öffentlichkeit begeben, benötigen ein ganz anderes Mindset für ihren Beruf. Das Label Streetfotografie ist eher etwas, das ihm (und anderen) seitens der Rezipienten aufgedrückt wurde und wird. Der Artikel ist übrigens sehr lesenswert.
Weekend Warriors und Feierabendpunks
Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die es einfach spannend finden, sich unter die Leute zu mischen, auf die Straße zu gehen und Motive bzw. Momente einzufangen. Die Freude daran haben, sich ein vom normalen Touristen abzuheben (der seine Postkartenmotive knipst), die eigene Komfortzone zu verlassen und sich anders im öffentlichen Raum bewegen, als wären sie nur zum Einkaufen in der Stadt.
Wo verorte ich mich selbst? Vermutlich liege ich irgendwo dazwischen. Keine Ahnung. Ich kann auf kein großes Werk zurückblicken. Aber es gibt in mir ein Interesse daran, mich mit Leuten zu befassen, die irgendwo am Rande der Gesellschaft sind. Angefangen habe ich als Mittagspausen-Streettog, um mich von meinem langweiligen Bürojob, dem ich seinerzeit nachging, abzulenken. Damals habe ich mich zwar nicht getraut, Menschen zu fotografieren, aus Angst vor Konfrontation, aber es war für mich ein Gefühl der Freiheit und Unabhängigkeit, mit anderen Augen durch die Stadt zu gehen und vermeintlich banale Dinge zu fotografieren.
Während dieser kritischen Zeit wuchs in mir der Wunsch, etwas anderes mit meiner Zeit anzufangen, als einem Angestelltenjob nachzugehen. Das Straßenprojekt „Flensburg Faces“ war dazu sozusagen die Initialzündung. Darauf folgten weitere Projekte, die aktuell in Arbeit sind, und die sich mit Menschen auf der Straße beschäftigen. Street ist gewissermaßen zu einem Teil meiner Arbeit geworden, ein kleiner, aber auch ein wichtiger.
Bei oder trotz aller Ernsthaftigkeit kannst du dir dennoch die Frage stellen, warum du als Hobbyist/ Amateur/ Enthusiast (oder wie auch immer du dich nennen würdest) Streetfotografie (Herr Herzau, verzeihen Sie ;-)) betreiben solltest? Hier ein paar Argumente dafür:
- Du übst und lernst, deine Komfortzone zu verlassen
- Du lernst, Situationen vorauszusehen
- Du studierst das menschliche Verhalten
- Du lernst Menschen kennen
- Du wirst deinen Blick schulen
- Und: Es macht Spaß!
Und jetzt? Interesse an Streetfotografie geweckt?
Hast du noch nie Street fotografiert, aber würdest dich gerne mal mit anderen Fotografen austauschen und auf die Straße gehen? Vielleicht ist bei meinen Workshops etwas für dich dabei. Oder schreibe einen Kommentar und nimm an der Diskussion teil!
Dem ist nichts hinzuzufügen oder zu ergänzen. Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen. Solche „Undogmatiker“ wie Dich sucht man leider mit der Lupe…..
Vielen Dank, Michael (auch Andreas Herzau fand den Artikel gut, habe ich eben über Twitter gesehen ;-))! Dogmatiker begegnen einem ja an allen möglichen Stellen (deshalb mache ich auch ungern Bemerkungen zu Bildern bei facebook). Wie lustigerweise innen in einem meiner Parkas steht: „Street is a state of mind“.
Ich finde, da werden unter den Kulturgrößen im weiteren Sinne manchmal Scheingefechte ausgetragen, bloss weil man ja eine Meinung dazu haben muss. Das ist ja nicht nur in der Fotografie so. Das ist auch bspw. in der Rockmusik der Fall. Da wird um Wahrheit, Wirklichkeit und Authentizität gekämpft. Dabei gibt es heute so viele gute Gruppen…Leider ist das alles eine Inflation geworden, besonders der Kampf um die „Individualität“. Dabei ist m.E. das individuellste das, was mir Freude bereitet und was ich gerne mache.
Gut definiert, Tilman.
Wenn jemand Lust auf street hat, dann soll er/sie sich dort nach persönlichem Geschmack ( z.B. nach Deiner Stichwortliste) darin verorten und sich ins ( neue) Abenteuer aufmachen….
Der Rest ist Erleben, Erfahren, ggf. ein Kursus mit Gleichgesinnten…
Dein Artikel ist gut und wird hoffentlich manchen motivieren oder wiederbeleben 👍
Fotogruss, Uwe📷
Vielen Dank, Uwe – Street ist immer wieder anders und vor allem: immer wieder spannend!
Ach, meine Antwort fehlt: YES…we are all Vivian 😎👍📷