Reisen – analog oder doch lieber digital?

Bin ich der Einzige, der sich die Frage stellt, ob er seine Filmkamera mit in den Urlaub nimmt, oder doch die Digitale? Angesichts der bevorstehenden Reise befinde ich mich in einem Dilemma, eben der Frage nach der Kamera-Ausrüstung.

Ich bin bei weitem nicht derjenige, der alle Eventualitäten berücksichtigt, alle Brennweiten dabei haben muss und womöglich zweigleisig fährt. Less is more, das ist für mich gängige Praxis. Nun aber die Entscheidung, ob ich eine kleine analoge oder digitale Ausstattung mitnehme. Fotografieren will ich ja schließlich schon.

Reisen - analog oder doch lieber digital?
Ein Dilemma. Oder nur eine Luxus-Frage.

Egal, ob Film oder Chip: Leicht reisen ist angesagt.

Auf der einen Seite wäre da die Fuji X-T1 mit einem Weitwinkel- oder Standardobjektiv, auf der anderen die Nikon FE mit einem Weitwinkel und einem Tele. Platzmäßig kein besonderer Unterschied. Digital müsste ich mehrere Akkus samt Ladegerät mitnehmen, eventuell noch den RAV Power.

Analog wären ein paar KB-Filme im Gepäck. Die Menge oder Größe der Ausrüstung ist also kein Kriterium, das mir die Entscheidung erleichtern sollte.

Masse statt Klasse?

Mit der Fuji würde ich sicher das (geschätzt) 10-fache an Bildern produzieren, hier und da einma mehr auf den Auslöser drücken um den Moment nicht zu verpassen. Tut ja nicht weh.

Wenn ich mich für Film entscheide, würde ich mich schon vorher festlegen, wieviele Bilder ich maximal machen kann. Eigentlich eine ganz reizvolle Vorstellung. Ich kann sogar die maximale Anzahl an Bildern pro Tag festlegen oder ein Projekt „12 Bilder pro Tag“ daraus machen. vor jedem Druck auf den Auslöser müsste ich mir also genauer überlegen, ob es das wert ist. Eventuell die eine oder andere Gelegenheit sausen lassen, mehr unscharfe Bilder riskieren usw. Aber eigentlich nicht schlecht, würde es doch dem Aspekt der Entschleunigung entgegenkommen. Vielleicht würde ich sogar bewusster reisen.

USA mit 8 Filmen und einer Brennweite

Als ich Anfang der 90er Jahre in den USA war, hatte ich für 3 Wochen 8 Diafilme dabei. Nach Entwicklung und Aussortieren blieben immer noch 250 Bilder (die noch immer in meinen Diakästen schlummern), von denen die Hälfte das Feeling der US-Tour sehr gut wiedergeben (World Trade Center und Grand Canyon mit nem 50er? Man muss halt das Beste draus machen. Aber es geht). Eine Handvoll davon sind meine Favoriten.

Digital (wenn es damals schon für den Endverbraucher möglich gewesen wäre) hätte ich wahrscheinlich mehr Ausschuss produziert. Bei gleicher Anzahl der „Keeper“.

Nachbereitung gehört zu einer Reise dazu

Jedoch: ich müsste oder würde die 6-8 Schwarzweiß-Filme selber entwickeln, scannen und sichten. Vom Zeitaufwand her sicher nicht unerheblich. Das könnte aber auch als Teil der Reise-Nachbereitung aufgefasst werden, denn wer sagt, dass Bilder direkt nach Ankunft verfügbar sein müssen? Interessant ist auch, dass während der Reise die Erinnerung an die ersten Bilder verblasst, ich kann nicht abends sichten, sortieren, oder gar Bilder posten. Zeit ist hier ein ganz erheblicher Faktor, und zwar die erlebte Zeit. Analog wäre also etwas spannender, wenn man so will.

Aber das Dilemma ist dadurch nicht aufgelöst. Die Fuji ist vom Handling her fast wie eine analoge mechanische Kamera, sie macht einfach Spaß. Und ich habe die Möglichkeit, Farbe zu fotografieren, statt mich mit der Reduktion auf Grautöne auseinanderzusetzen. Bin nicht auf ISO-Werte festgelegt und insgesamt wesentlich flexibler. Zudem könnte ich jeden Abend den Tag Revue passieren lassen, Bilder aussortieren, etwas Zeit sparen (aber soll es darum gehen?).

Bewusst fotografieren funktioniert auf beiderlei Weise, wenn man sich entsprechend diszipliniert.

Das Dilemma bleibt, der Umgang damit kann jedoch erlernt werden

Während ich dies so schreibe, festigt sich langsam die Tendenz zur Filmkamera. Ich denke an die Reiseberichte von Roman Henze und Monika Andrae, die beide sicher vor derselben Frage standen.

Vielleicht hilft bei der Antwort auf die Analog-/ Digital-Frage ja die Gegenfrage: Welche Bilder möchte ich am Ende mitbringen? Haben sie einen bestimmten Look, sind sie farbig oder schwarzweiß? Sind es viele Bilder, auf die ich irgendwann zurückgreifen möchte, oder mag ich den Gedanken, schlussendlich nur ein Bild zu haben, das für mich für die ganze Reise steht?

Ich merke: Die Tendenz zum Analogen bleibt. Aber das Gefühl, dann etwas zu verpassen, bleibt auch. Aber das gehört vielleicht sogar dazu.

Um mir einen Ruck zu geben: Kurzerhand habe ich mir soeben ein 10er-Pack Ilford HP5 bestellt. Ich liebe Entscheidungen aus dem Bauch heraus. Am 11.07. geht es los, ich bin selber gespannt, was ich dann im Gepäck habe.