Ich habe es sehr lange Zeit so gehalten, dass ich, wenn ich zu einer Portraitsession unterwegs war, mich nicht sonderlich vorbereitet habe. Manchmal reichte die Zeit nicht, oder ich habe die Situation auf mich zukommen lassen. Ganz nach dem Motto „aus der Spontaneität entstehen die besten Bilder“. Das mag auch tatsächlich zutreffen, hat aber im Großen und Ganzen für mich nicht so gut funktioniert. Jedesmal bin ich mit einem leichten Gefühl der Frustration nachhause gefahren. Ein Gefühl von Blockiertheit, und ein Gefühl, dass ich nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft habe.
Weil ich mich ganz aktuell in der Situation vor einer Portraitsession befinde (es geht um das Portrait eines Psychologen), setze ich mich noch einmal gezielt mit meinen eigenen Vorbereitungen auseinander.
Bücher/ Magazine anschauen
Wenn es dir so geht wie mir, kommen die Ideen zu Portraits nicht aus heiterem Himmel. Über die Jahre haben sich bei mir einige Bücher zum Thema angesammelt, und das sind auch diejenigen, die ich nicht weggeben würde. Sie sind meine Inspirationsquelle. Mir hilft es sehr, mich von Bildern ansprechen zu lassen. Ich nehme gerne ein paar Bildbände oder auch Modemagazine in die Hand, schaue, welche Bilder mich explizit ansprechen und versuche zu verstehen, warum sie mir gefallen und wie ich so etwas selber machen könnte.
Die Session vorvisualisieren
Ich versuche, mir vorzustellen, wie es am „Set“ – das meist nur aus mir und dem Menschen, um den es geht, besteht – zugeht. Wie gehe ich mit meinem Model um, auf welche örtlichen Gegebenheiten muss ich achten, wird es Publikum geben (z.B. im Büro, wenn es um Businessportraits geht)? Wenn ich den Menschen kenne, kann ich vielleicht schon auf gewisse Eigenheiten eingehen oder Rücksicht nehmen (so hatte ich auf einer Hochzeit das Brautpaar in einem Strandkorb platziert und erfuhr erst später, dass die Braut Strandkörbe hasst…). Ich kann mir auch vorstellen, mit welcher Brennweite ich beginne, ob ich von weiter weg fotografiere und alle 10-20 Aufnahmen näher an den Menschen herangehe (die Zahlen sind frei erunden). Allgemein: Ich versuche mir die Situation von Beginn bis Ende vorzustellen und mache mir ggf. vorher Notizen, welche Einstellung o.ä. besonders wichtig ist.
Gut ist es auch, für Eventualitäten gerüstet zu sein. Was ist, wenn die Kamera oder der Blitz aufgibt? Es zu regnen anfängt? Wenn man solche Situationen bereits im Hinterkopf hat, ist eine Menge Stress im Vorfeld vermieden.
Posing – kein Posing?
Ich bin kein Experte darin, aber das muss man vielleicht auch gar nicht sein. Ich denke vielmehr, dass es wichtig ist, den Leuten, die man fotografiert, ein Gefühl von Aufgehobenheit zu vermitteln. Das trifft am ehesten natürlich auf Menschen zu, die nicht so oft vor der Kamera stehen. Profi- oder Amateurmodels sind routinierter und kennen ihre Posen. Wenn ich also einen „normalen“ Menschen posiere, versuche ich, ihn oder sie auf natürliche Art stehen oder sitzen zu lassen und korrigiere ein paar Kleinigkeiten. Alles andere wirkt eher verkrampft, es sei denn, dein Model ist aufgeschlossen und experimentierfreudig genug. Aber wenn es z.B. um Businessportraits geht, dann hast du es mit Leuten zu tun, die wenig Zeit haben, sich in eine ungewohnte Pose drapieren zu lassen.
Ein paar Fragen,
die du dir vo einer Session stellen und beantworten solltest:
- Was will ich mit dem Portrait ausdrücken?
- Passt mein Vorhaben zu dem Menschen?
- Welches Licht werde ich benutzen? Vorhandenes, Blitzlicht oder beides?
- Welche Stimmung will ich erzeugen?
- Welche Art von Portrait soll es werden: Soll es nur ein Kopfbild sein, oder soll der ganze Mensch in seiner Umgebung dargestellt werden? (Vermutlich wirst du verschiedene Einstellungen machen :-).)
- Was benötige ich dafür (Brennweiten, Blitz, Reflektoren etc.)?
- Bei Außenportraits: Wie wird das Wetter?
- Dazu kommen noch weitere „technische“ Fragen, z.B., wo soll das Bild erscheinen, benötigt es genügend Weißraum für Text, soll es Hoch- oder Querformat sein?
Das sind meine – unvollständigen – spontanen Gedanken zur Vorbereitung auf eine Portraitsession. Wenn dir dazu etwas fehlt, oder du vielleicht einen komplett anderen Ansatz hast, lass es mich gerne wissen. Es gibt nicht das eine Patentrezept, und genau darum ist es ja so spannend, andere Menschen zu fotografieren.
Hallo Tilman,
ich habe gerade deinen Blogpost zur Portraitfotografie nochmal gelesen, weil ich mich in den nächsten Tagen auf die andere Seite der Linse begeben werde, um ein paar Portraitfotos machen zu lassen …
Ich drehe also deine Tips und Hinweise um und bespreche diese Dinge mit meinem/meiner Fotografin, um das beste rauszuholen …
Also gute Vorbereitung ist alles, das hat auch Rudi Carell immer schon gepredigt …
Hi Flo, das freut mich. Ich wünsche euch beiden gutes Gelingen ;-)!