OM, oder „Erleuchtung“

Der Himmel ist grau und bewölkt, dabei wolltest du dein Shooting in der Abendsonne machen. Wenn es nicht gerade aus Eimern schüttet, solltest du aber eine solche Verabredung nicht sausen lassen. Vor allem dann nicht, wenn du einen oder zwei Blitze zur Verfügung hast. Dann machst du nämlich deine Abendstimmung selbst. Also OM, immer schön entspannt bleiben und nicht die Kamera ins Korn werfen.

Hintergrund dieses Posts ist, dass ich bald ein Shooting habe, das draußen an der Küste stattfinden soll. Ich habe bereits ein paar Bilder vor Augen, und es soll eine schöne ruhige Abend- oder Spätnachmittagstimmung entstehen.

Buddha im Abendlicht
Buddha im Abendlicht

Damit es nicht am Wetter scheitert, habe ich gestern ein wenig geübt – es war nämlich ein etwas gräulicher Himmel, warm zwar, aber von Sonne keine Spur. Mein Model war sehr geduldig und ruhte in sich selbst, sodass ich alles mögliche ausprobieren konnte.

Diese Vorüberlegungen wären für meine Zwecke wichtig: Wie kann ich die gewünschte Stimmung erzeugen? Was ist mein Keylight? Welche Rolle spielt das Umgebungslicht? Muss ich mit einem 2. Blitz aufhellen? (Und was ist, wenn an dem Termin nun doch die Sonne scheint?)

Die Lichtstimmung soll, wie erwähnt, warm und ruhig, etwas soft sein. Wärme kannst du mit deinem Weißabgleich erzielen oder – wie ich es getan habe – mit einem CTO-Gel vor deinem Blitz. Neben der Orangefärbung des Lichts ist auch die Position wichtig. Der Sonnenstand am späten Nachmittag ist in unseren Gefilden eher niedrig, daher würde ich mein Blitzstativ nicht besonders weit ausfahren.

Vor meinem inneren Auge habe ich bereits eine Gegenlichtsituation. Daher habe ich mich kurzerhand entschlossen, den Blitz mit dem Gel als Hauptlicht von hinten – also in Richtung Kamera einzusetzen. Schließlich möchte ich die Sonne simulieren.

Das Umgebungslicht – also das vorhandene durch die Wolken diffus gestreute Licht, sorgt dafür, dass im Gesicht meines „Models“ Zeichnung ist und die Umgebung „normal“ beleuchtet ist. Das Bild würde also auch ohne Blitz erkennbar und korrekt belichtet sein. Die Stimmung jedoch kommt erst durch mein Blitzlicht.

Je nachdem, ob und wie stark mein Model im Schatten ist, muss ich einen weiteren Blitz einsetzen, um das vorhandene Licht auch im Gesicht zu verstärken.

Wie gesagt, habe ich hier zur Demonstration ein sehr altes und geduldiges Subjekt, auf das ich mein Hintergrundlicht werfe. Zunächst siehst du hier die Situation im vorhandenen Tageslicht.

Buddha im vorhandenen Licht
Buddha im vorhandenen Licht

Und hier mein letztes Ergebnis.

Buddha im Abendlicht
Buddha im Abendlicht

Wie gehe ich also vor?

  1. Höchste Synchronzeit (ohne HSS) festlegen. Bei mir ist es 1/250 Sekunde. Das ist wichtig, weil du so die größtmögliche Blendenöffnung dazu bekommst, was deine Blitzleistung etwas mindert. Auch benötigst du dann kein High Speed Sync.
  2. Niedrigste mögliche ISO einstellen für die höchste Bildqualität und die größte mögliche Blendenöffnung
  3. Belichtung ermitteln. Ich messe die Belichtung so, als würde ich ohne Blitz fotografieren wollen. In diesem Fall habe ich die Matrixmessung benutzt, und sie gab mir diese Werte: ISO 200, 1/250s, Blende 4,8
  4. Keylight einstellen (Blitz im manuellen Modus). Auch wenn es das Gegenlicht ist, sollte es prägnant und deutlich sein, daher habe ich hier eine Stärke von 1/8 der vollen Blitzleistung gewählt. Das ist jedoch auch abhängig von der Entfernung zum Model.
  5. Einen weiteren Blitz von schräg vorn/ von der Seite einsetzen, um das Umgebungslicht im Gesicht zu verstärken. Wie gesagt: Der Blitz von vorn ist nicht das Hauptlicht! Er dient lediglich als leichte „Erweiterung“ des vorhandenen natürlichen Lichts. Ihn deshalb nicht von der Kamera zu nehmen, wäre jedoch nicht zweckdienlich, da so ein flacher Eindruck entstehen würde.
  6. Mit der Position und der Entfernung zum Subjekt experimentieren

Hier siehst du ein paar Variationen mit der Entfernung vom Blitz zum Buddha und der Position. Du solltest damit experimentieren und für dich herausfinden, was deiner Bildabsicht am nächsten kommt. Das kannst nur du wissen ;-)!

Die meisten der Fotos sind mit diesen Werten aufgenommen. Manchmal lichtete sich die Wolkendecke etwas, sodass ich auf f/8 abblenden musste. Auf den Blitzen sind übrigens keine Lichtformer. Nackter Blitz mit eine CTO-Folie. Sonst nix.

Und was, wenn doch die Sonne scheint? Dieser Frage werde ich in einem nächsten Blogpost nachgehen.

8 Responses
  1. Moin,
    draußen hab ich in der Form noch nicht mit Licht gezaubert, aber in einer Wohnung im Herbst abends da wollte ich Strandfeeling machen. Da hab ich mit zwei Nikon Aufsteckblitzen und einer gelben Softbox eine Sommerstrandstimmung gezaubert 🙂
    Auf den Bildern sieht es wirklich aus als ob mein Model einmal in der untergehenden Sonne am Strand sitzt und einmal bei hellem Sonnenlicht.

    Lg Aurelia

    1. Hey Aurelia,
      mit gelber Softbox geht so etwas natürlich auch ;-)! Dann hattest du einen Blitz als Hauptlicht, und einen als Gegenlicht, oder wie kann ich mir das vorstellen? (Vielleicht hast du ja einen Link zu deinen Bildern…)
      Gruß
      Tilman

      1. Einen Link hab ich nicht mehr, da ich meine Fotoseite vor einem Jahr gelöscht habe.
        Aber ich hatte den Blitz mit der gelben Softbox als Seitenlicht stehen und den mit der weißen Box von vorn seitlich zum aufhellen und das er noch etwas auf den weißen Heizkörper hinter dem Model mit Liegestuhl trifft und so auch von da etwas Licht zurückwirft. Frag mich nicht warum das in dieser Konstellation so gut funktioniert hat, ich hab keine Ahnung 😀 ich probiere immer rum und schau was passiert und was geht 🙂

        1. Das klingt interessant – und scheint mir ganz nach deinem „Weniger ist mehr“-Motto zu entsprechen: Ein Blitz von der Seite hellt auf und gibt gleichzeitig noch Licht auf den Hintergrund. Manchmal funktionieren die Dinge eben, das ist doch toll ;-)!

  2. Michael

    Hallo,
    erstmal vielen Dank für Deine vielen Anregungen und Tips! Das mit der Blitzfolie und der getunten Abendsonne werde ich mal ausprobieren. Leider habe ich nicht so viel Gelegenheit, draussen Portraits zu machen. Die Arbeit versaut einem das ganze Leben… Drei Beispiele von mir möchte ich aber auch hier zeigen! Ich habe einen Rogue – Lichtformer, den ich gerne benutze. -> https://flic.kr/s/aHsmme2tbA. <- Beim dritten Bild war die Idee, dass sich der Himmel öffnet. 🙂 Dafür habe ich den Lichtformer zu einer Röhre geformt und die Kamera hoch über meinen Kopf gehalten. Nachdem ich ein Klappdisplay habe, habe ich auch den Ausschnitt richtig wählen können. Das hat aber auch nur funktioniert, weil der Grössenunterschied zwischen den Personen so stark ist. Das erste Bild ist bei uns im Westpark entstanden. Idee war "Erdig und grün" Ich habe einen Yongnuo-Blitz auf ein Stativ gestellt mit dem offenen Lichtformer und diesen in das Blätterdach gerichtet. Dann habe ich die Idee aber nicht konsequent zu Ende geführt und habe diesen Blitz mit dem Kamerablitz gezündet als Slave. Ein Wirelessauslöser wäre richtig gewesen. Dadurch wirkt das Ganze etwas flach und nimmt dem Licht von oben seine Wirkung. Ausserdem hätte ich hier mehr abblenden sollen. Ich habe hier einiges nacharbeiten müssen mit Lightroom, um die Bilder noch einigermassen zu retten. Problem ist es natürlich, wenn das Model quengelig wird und die Zeit zu lang wird… Darum hätte ich wie Du vorher den Platz begutachten und den Aufbau üben sollen. Beim zweiten Bild vom Don sitzt der Blitz auf der Kamera und der Lichtformer ist mit dem Blitz nach oben auf den Baum gerichtet und weit geöffnet. Ausserdem ist die Leistung ganz gering eingestellt. Diese Lichtformer kann man kaufen, man kann die sich aber auch selber basteln. Mittlerweilen habe ich auch eine Neewer-Softbox, die ich demnächst mal ausprobieren will, wenn das Wetter es zulässt. Momentan macht das bei der Hitze hier keinen Spass. 🙁

    LG aus München : Michael

    1. Hi Michael,

      danke dir für deinen ausführlichen Kommentar! Der Rogue Flashbender war auch mein Einstieg ins entfesselte Blitzen. Die sind als immer-dabei-Modifier gut zu gebrauchen und flexibel. Einen Wireless-Trigger solltest du dafür immer benutzen, ansonsten macht dir der On-Camera-Blitz das Bild kaputt. Schöne Ideen, finde ich – das mit dem sich öffnenden Himmel ist da am gelungensten (Kleiner Gestaltungstipp: Auf den Hintergrund achten ;-)). Blitz zu reflektieren funktioniert in der freien Natur nicht so gut, wenn du keine vernünftige Fläche hast, gegen die du blitzen kannst. Falls dich aber das Thema On-Camera-Flash interessiert, schau dir mal Neil van Niekerk an – der macht das richtig gut und erklärt auch ganz viel: https://neilvn.com/tangents/flash-photography-techniques/natural-looking-flash/
      Lieben Gruß
      Tilman