Von drinnen nach draußen: Mix aus Blitz- und Umgebungslicht

(Ich sollte mir mal ein Mannequin zulegen, aber heute muss es einfach mal diese wunderschöne Distel tun…)

Was hat die Blende mit dem Blitz zu tun, und welche Rolle spielt die Belichtungszeit? Dieser Frage gehe ich heute mal etwas genauer nach.


Übrigens – zum Thema „Blitzen“ biete ich im Herbst einen Workshop an:


Du hast also einen Blitz und eine Kamera. Ob der Blitz nun draufsteckt oder nicht, ist zunächst nicht wichtig. Wichtig wird es allerdings

  • wenn du anfangen willst, mit dem Blitzlicht bewusst zu gestalten (auch das geht mit dem Blitz auf der Kamera)
  • wenn das Licht natürlich wirken soll.
Blitz und Umgebungslicht kombinieren
Ein natürlicher Bildeindruck mit ausgewogenem Vorder- und Hintergrundlicht. Das Vordergrundlicht kommt ausschließlich vom Blitz.

Für dieses Beispiel hatte ich den Blitz auf einem Stativ und mit einem Lichtformer versehen.

Ich habe hier aus einem Raum durch das Fenster nach draußen fotografiert. Kamera und Subjekt/ Distel befanden sich also in einer anderen Lichtsituation als der Hintergrund. Im Prinzip ist das so, als würdest du aus dem Schatten ins Licht fotografieren, also in einem Hausschatten oder unter einem Baum stehend.

Meine Vorüberlegung: Der Hintergrund soll schön unscharf sein, um das Subjekt optimal hervorzuheben, und der Gesamteindruck soll natürlich wirken. Ersteres erreiche ich durch eine lange Brennweite und möglichst offene Blende. Das 55-200mm Fujinon leistet da auch bei Blende 4,8 und 200mm (entspricht 300mm Kleinbildformat) sehr gute Dienste, auch bei 135mm (200mm KB) ist es hervorragend zu gebrauchen.

Zum Vergleich zeige ich unten eine Aufnahme ohne Blitz, in der sich der Hintergrund noch recht gut abzeichnet, der Vordergrund hingegen vollkommen im Dunkeln liegt.

Blitz und Umgebungslicht kombinieren
Kein Blitz, nur Umgebungslicht. Der Hintergrund ist dramatisch dunkel, aber noch erkennbar, was man von der Pflanze nicht sagen kann…
Blitz und Umgebungslicht kombinieren
Licht an: Die gleiche Aufnahme wie oben, nur mit Blitz. Belichtungszeit 1/125s
Blitz und Umgebungslicht kombinieren
Dieselbe Blitzstufe und Blende, jedoch um eine Stufe kürzer belichtet. Belichtungszeit 1/250s
Blitz und Umgebungslicht kombinieren
Der natürlichste Gesamteindruck mit 1/60s Belichtungszeit
Belichtungszeit 1/250s
Fast oder schon eine Highkey-Aufnahme mit 1/30s. Das Umgebungslicht kommt deutlich durch das Blatt links hindurch. Die Disteln selbst sind jedoch noch immer korrekt bzw. natürlich belichtet.

Den natürlichen Lichteindruck erziele ich durch die Balance zwischen Vordergrund und Hintergrund. Die Einfachheit des Setups erlaubt jedoch die ganz gezielte und bewusste Steuerung des Hintergrunds. Wie du auf den Bildern siehst, ist der Vordergrund – mein Model – durchgehend gleich belichtet, nämlich mit 1/8 der Blitzleistung.

Merke: Die Blende steuert die Menge des Lichts, das vom Blitz auf deinen Sensor fällt. Die Verschlusszeit wiederum regelt das Umgebungslicht (hier: die Hintergrundbelichtung).

Auf HSS (High Speed Sync) habe ich absichtlich verzichtet. Zum einen, damit du siehst, dass es auch mit einem nicht-HSS-fähigen Blitz funktioniert, und auch, weil HSS den Blitz gerade bei hoher Leistung sehr fordert. (Du musst also nicht gerade HSS benutzen, weil du kannst, sondern solltest dir vorher überlegen, ob es auch anders geht.)

Die Fuji X-T2 hat als kürzeste Blitz-Synchronzeit 1/250s, eine recht übliche Zeit bei aktuellen DSLR/ DSLMs. Unter Umständen liegt deine Synchronzeit bei 1/180s oder 1/200s. Fürs Ausprobieren und Nachmachen ist das aber kein Problem.

Die technischen Voraussetzungen:

  • Fuji X-T2
  • Fujinon 55-200mm bei 200mm
  • Godox-Blitz TT685 mit Wireless Trigger
  • Aurora Firefly 50cm Softbox
  • Blende durchgehend bei f/4,8
  • ISO 100 (L)
  • Verschlusszeiten von 1/30-1/250s
  • Ein offenes Fenster
  • Ein Model (aka Pflanze)

Ein sehr simples Setup also, mit dem sich vor allem natürliche Portraits erzielen lassen. Aber eben auch dramatischere Situationen, High- und Low-Key – es hängt einfach davon ab, was du bevorzugst. Probiere es aus!

4 Responses
  1. (Auf Facebook kamen ein paar Fragen auf, die ich hier versuche zu beantworten – hier ist der Thread:)
    Michael Teuber schrieb:

    Erstmal gefällt mir das mit der Distel besser 🙂 Es gibt Menschen, die haben grundsätzlich was gegen überstylte Mannequins und lesen dann auch nicht weiter. 🙂 Die Frage, die sich mir aber vor allen Dingen stellt, warum Du die Lichtmenge bei den Beispielen über die Zeit einstellst und nicht über die Blitzleistung ?? Versteh ich jetzt so nicht gerade. 🤔 Ach, jetzt habe ich es kapiert. Mit der Zeit steuerst Du die Belichtung ds HINTERGRUNDS. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil….😜 Aber dafür brauche ich doch keinen TTL-Blitz, oder? Ich kann das doch mit den Yongnuos auch machen. Kamera auf manuell stellen, Blende abblenden, Blitzleistung durch Try and Error ermitteln und dann mit der Zeit rumspielen müsste doch das gleiche Ergebnis bringen oder ?? Ich habe zwar auch einen älteren TTL-Blitz, spätestens nach dem Kontrollblick auf das Display schalte ich aber die Automatik aus.

    1. Danke für Deine Frage, Michael! Es geht mir in diesem Beispiel darum zu zeigen, wie sich das Hintergrundlicht (das vorhandene Umgebungslicht) ändert. Die Beleuchtung des Vordergrunds (der Distel) mit dem Blitz bleibt hier konstant.
      Anders ausgefrückt: Der Hintergrund wird nicht vom Blitz beleuchtet, sondern nur über das Umgebungslicht draußen. Daher wäre es egal, wenn ich da die Blitzleistung ändern würde.

      Grundsätzlich gilt: Die Verschlusszeit steuert das vorhandene Umgebungslicht. Mit Blende und Blitz selber eben die Vordergrund beleuchtung (oder was du auch immer mit dem Blitz beieuchten willst)

      Nein, du brauchst keinen TTL-Blitz. Es reicht ein komplett manueller Blitz. Die Yongnuos sind dafür gut geeignet ;-)!

      1. (Antwort Michael:)

        Danke für diese Erklärungen ohne das übliche Fotografenchinesisch. Bei den üblichen Tutorials bei YouTube steige ich regelmäßig aus, weil da einfache Dinge oft kompliziert erklärt werden und nur Bezug auf das konkrete Problem genommen wird. Ich finde aber, man muss Grundlagen beherrschen und auch verstehen, damit man sich komplexere Aufgaben alleine herleiten kann. Am besten gefallen mir die Photoshoptutorials, wo die Leute bei komplexen Aufgaben dann die Frage stellen, wie erstelle ich eine Ebene?? Es geben sich eigentlich immer weniger Leute die Mühe, etwas wirklich verstehen zu wollen im Zeitalter des Mausgeklickes. Auf jeden Fall hab ich Dein Beispiel jetzt kapiert und dafür gebührt Dir Anerkennung und Lob.

        1. Vielen Dank! Ich versuche, das möglichst und weitgehend anschaulich und transparent zu erklären. Freut mich sehr, dass es auf fruchtbaren Boden fällt.