Nach der kurzen Einführung und der Rolle der Blende im Belichtungsdreieck soll es hier um die Belichtungszeit gehen.
Belichtungszeit – was heißt das? Wenn ich das in meine eigenen Worte fassen soll, würde das folgendermaßen lauten: Die Belichtungszeit – auch Verschlusszeit genannt – ist die Dauer, für die der Sensor (oder der Film) dem Licht ausgesetzt ist. Kann sein, dass da jemand bessere oder genauere Definitionen hat, aber für den Hausgebrauch und das Gundverstehen sollte das ausreichen.
Vermutlich siehst du in deinem Sucher oder Display oder auch auf einem Display auf der Oberseite deiner Kamera ziemlich viele Zahlen. Woher weißt du eigentlich, welche Zahl was bedeutet? Manchmal hast du ein richtiges Einstellrad mit Zahlen von 8-4000, häufiger jedoch wird es ein Zahnrad in Höhe deines Daumens oder Zeigefingers sein, der keine weitere Bezeichnung hat, und dessen Auswirkungen du am Display ablesen kannst.
Im Display meiner Fujis sehe ich – abgesehen von dem Hardware-Einstellrad – im Display so etwas wie 1/30 oder 1/4000 oder einen Wert irgendwo dazwischen. Also eine dreißgstel oder gar viertausendstel Sekunde. Belichtungszeit kann sehr lang (8 Sekunden oder bei nächtlichen Langzeitbelichtungen noch mehr) oder eben auch superkurz sein. Bei allen Zeitangaben handelt es sich immer um eine Dauer, für die der Sensor belichtet wird, wenn sie auch so kurz erscheint, dass wir sie kaum als solche wahrnehmen können.
Früher mussten Leute, die vor dem Portraitfotografen saßen, oft mehrere Sekunden still halten, damit das Bild nicht verwackelte. Das Filmmaterial war noch nicht so empfindlich wie heute, und daher musste die Belichtungszeit länger sein. (Merke: Je geringer die Sensorempfindlichkeit eingestellt ist, umso mehr Licht wird für eine korrekte Belichtung benötigt. Das erreichst du durch eine größere Blendenöffnung oder eine längere Belichtung oder beides.)
Wofür benötige ich soviele unterschiedliche Zeiten?
Erst einmal: Um eine korrekte Belichtung zu gewährleisten. Du hast viele verschiedene Einstellmöglichkeiten für die Blende und die Empfindlichkeit, und wenn du (oder im Automatikmodus deine Kamera) diese Werte einstellst, benötigst du entsprechend die Möglichkeit, diese Einstellungen über die Belichtungszeit auszugleichen.
Aber das ist nur eine Seite der Medaille. Mit der Belichtungszeit kannst du auch gestalten.
Mit extrem kurzen Zeiten kannst du Bewegung einfrieren. Es gibt sogar Hochgeschwindigkeitsfotografie mit extremst kurzen Zeiten. Mit deren Hilfe hat man Pistolenkugeln im Flug fotografiert. So weit musst du ja nicht gehen, aber gerade bei Sportaufnahmen (Fußball, Leichtathletik, Rad- und Motorsport) benutzen die Reporter sehr kurze Belichtungszeiten, um die Sportler oder die Fahrzeuge scharf abzubilden. Verwackelte Bilder sind selten erwünscht, und diese kann man, wenn man aus der Hand fotografiert, nur mit sehr kurzen Belichtungszeiten vermeiden.
Stichwort Sportfotografie: Gerade hier ist es doppelt wichtig, mit sehr kurzen Zeiten zu fotografieren, denn zum einen willst du Bewegung einfrieren, und zum zweiten wirst du da eine längere Brennweite (meist länger als 100 mm) benutzen. Noch mehr Zahlen, wirst du sagen – und was ist jetzt die Brennweite? Um es einfach zu halten: Das ist die Angabe an der Vorderseite auf deinem Objektiv – wenn du ein Zoomobjektiv hast, wird dort z.B. so etwas stehen wie „18-70mm“.
Die „Gefahr“, dass deine Bilder verwackeln, steigt nämlich mit der Länge der Brennweite. Oder anders gesagt: Je länger deine Brennweite ist, umso kürzer muss die Belichtungszeit sein, damit die Bilder nicht verwackeln. Die Faustregel ist, dass der Nenner der Belichtungszeit nicht länger sein darf als die gerade verwendete Brennweite. Also: Wenn du mit einer Brennweite von 50mm fotografierst, solltest du nicht über 1/50 Sekunde belichten. Es gibt Fotografen mit einem extrem ruhigen Händchen, denen gelingen auch Aufnahmen mit 1/8 Sekunde aus der Hand. Wie gesagt, eine Faustregel. Probiere selber aus, bei welchen Brennweiten da deine Grenzen liegen.
Allerdings: Das Beispiel bezieht sich auf das Kleinbild- bzw. Vollformat. Mit einem Crop-Sensor, dessen Größe je nach Marke variiert, wandert diese Grenze nochmal weiter in den kürzeren Bereich. So „wirkt“ ein 50mm-Objektiv an einem Nikon-DX-Sensor (der weniger als halb so groß ist wie ein Vollformat-Sensor) wie die Brennweite 75mm. Hier liegt die Verwackelungs- oder auch „Freihandgrenze“ bei 1/75 Sekunde.
Aber um Bewegung einzufangen, musst du sie nicht unbedingt einfrieren. Um den Eindruck einer Bewegung wiederzugeben, kannst du auch ganz bewusst länger belichten. Mit etwas Übung bekommst du es hin, dass wichtige Bildteile scharf und z.B. der Hintergrund verwischt ist, indem du die Kamera mitziehst. Oder umgekehrt, die Kamera ruhig hältst und das bewegte Objekt vorbeilaufen bzw. -fahren lässt. Deiner Fantasie und Experimentierfreude solltest du natürlich auch hier freien Lauf lassen.
Mit langen Belichtungszeiten – vor allem mit Stativ und im Bereich, der deutlich über dem vollen Sekundenbereich liegt – kannst du überfüllte Fußgängerzonen leeren, gekräuselte und aufgewühlte Wasseroberflächen glatt und surreal erscheinen lassen, Autos und Sterne in der Nacht zu Lichtstreifen machen oder Lightpainting betreiben.
Das sind natürlich alles nur Beispiele, die teilweise schon in die „Extrembereiche“ der Fotografie gehen. Sehr häufig bzw. zunächst wirst du mit Zeiten arbeiten, die in Bereichen liegen, in denen du locker aus der Hand fotografieren kannst, ohne zu verwackeln. In der Streetfotografie oder bei Straßenportraits benutze ich selten Zeiten unter 1/250 Sekunde, um spontane Aufnahmen auch noch unverwackelt hinzubekommen. Bei Portraits nehme ich eine eher offene Blende (5,6 oder weiter). Allein dadurch muss ich die Zeit schon verkürzen. Aber das sind meine derzeitigen Erfahrungswerte, auch ich spiele mit Verwischungen in der Streetfotografie, in denen ich mit weitaus längeren Zeiten arbeite.
Warum du das wissen solltest – wo doch deine Kamera alles für dich entscheidet?
Gut, das war jetzt eine suggestive Frage – denn ich möchte dich mit dieser Basecampreihe schließlich zum mündigen Kamera-User machen. Ja, auch ich benutze die Automatik an meiner Kamera, aber meist, um in bestimmten Situationen zuerst schnell reagieren zu können und dann die Einstellungen per Hand und bewusster vorzunehmen. Es geht um die besusste Handhabung der Kamera, und die kann nur erfolgen, wenn du sie besser kennst. Am Anfang wirst du viele Bilder machen, die eher für die Tonne sind. Aber du wirst auch diese Bilder ansehen können und wissen, was daran nicht korrekt gelaufen ist. Mit der Zeit werden sie besser werden und aus der Einheitsware, die mit Vollautomatik entsteht, hervorstechen.
[…] Hier geht es zum 2. Teil, in dem ich versuche, die Belichtungszeit zu erklären. […]
[…] Verwackeln – du ahnst es – hat mit der Belichtungszeit zu tun. Wie im Basecamp schon beschrieben, regelt auch die Belichtungszeit – neben Blende und ISO – die Menge […]
[…] Belichtungsdreieck: Belichtungszeit. […]