Wenn du entschleunigt fotografieren willst, musst du einfach mal eine Analogkamera benutzen. Oder dich anderweitig beschränken. Aber wie ist das eigentlich – eine Kamera zu benutzen, die eher unhandlich ist und mit einem Film zu fotografieren, der nicht mehr als 12 Aufnahmen hat? Zunächst einmal: Komisch.

Analoge Plastikkiste

Seit längerem nenne ich eine Zenza Bronica SQ-B mein Eigen. Keine Hasselblad, nein, aber ich finde sie dennoch schön. Ich hatte sie günstig bekommen, und sie fristet seit ca. 2 Jahren ein einsames Dasein – zusammen mit 2 Objektiven – in einer Plastikkiste. Bis vor ein paar Wochen und die Zeit kurz nach dem Kauf habe ich sie bis jetzt kaum benutzt. Zuletzt, als ich einen Termin in Kiel hatte. Sie passt samt Belichtungsmesser in meine Umhängetasche und ist auch nicht allzu schwer, wenn auch klobig, wenn man von einer DSLR oder gar Systemkamera kommt. Das Gehäuse ist zwar sehr plastiklastig, aber dafür sind die Objektive umso schwerer. Sie hat keinen eingebauten Belichtungsmesser, die Verschlusszeit geht bis max. 1/500s.

Ein Sekonic Handbelichtungsmesser. Funktioniert ohne Batterien. Entschleunigt fotografieren pur.
Ein Sekonic Handbelichtungsmesser. Funktioniert ohne Batterien. Entschleunigt fotografieren pur.

Spontanes Knipsen ist nicht das, was man mit einer Mittelformat-SLR macht. Wenn du sie aus der Tasche nimmst, musst du schon einen guten Grund dafür haben. Ansonsten lohnt es sich nicht.

Denn du musst wissen: Jeden Film, den du belichtest, musst du entwickeln und scannen. Überlege also zweimal, bevor du abdrückst. Erwähnte ich, dass alles, was du durch den Sucher siehst, spiegelverkehrt ist?

Mit einer solchen Kamera, durch die man von oben durch einen Lichtschacht schaut, fällst du erst einmal auf, auch an Orten, die von Touristen bevölkert sind. Es ist halt keine Touri-Kamera. Und dann der Auslöser mit dem Spiegelschlag: Ein signifikantes, sattes „Klonk“. Den Film musst du selber weiter transportieren – mit einer Kurbel. Immerhin: Auch der Verschluss wird damit aufgezogen.

Warum sollte man sich das also antun und mit so einem Biest losziehen?

„Das Biest“ kann dir helfen, genauer und methodischer zu arbeiten. Auch wenn es dich langamer macht und du das Gefühl hast, ausgebremst zu werden.

Denn du lernst

  • genauer hinzuschauen
  • auch mal kein Bild zu machen
  • zu verzichten
  • das Wesentliche vom Unwichtigen zu unterscheiden
  • der Beliebigkeit die Stirn zu bieten
  • abzuwarten und vorauszuschauen

Challenge

Versuche also mal – auch wenn du keine Analogkamera hast – so zu fotografieren, als hättest du einen Film mit 36, 24 oder eben nur 12 Aufnahmen in der Kamera. Wissend, dass der Schuss sitzen sollte und im Zweifel nicht auszulösen.

Und mein Tag mit der Bronica?

Am Ende des Tages habe ich tatsächlich gerade mal 8 Aufnahmen gemacht. Ich war tatsächlich sehr, sogar zu zurückhaltend (vor allem weil ich einen 2. Film dabei hatte, der nach wie vor unbelichtet in der Packung steckt).

Nichtsdestotrotz: Ich werde endlich nach Jahren einmal wieder einen 6×6-Film selber entwickeln und scannen. Nach dem entschleunigt Fotografieren kommt also das etwas andere Postprocessing. Vorausgesetzt, dass alles gut läuft, gibt es zu diesem Artikel also eine Fortsetzung.

6 Responses
  1. Lennard Wencke

    Sehr cool, dass du das Thema gewählt hast und ich freue mich auf die Fortsetzung, vllt ja auch mal einen Workshop. ich hätte definitiv auch am entwickeln und scannen Interesse!

    beste grüße

    Lennard

  2. Genau mein Gedanke, auch, wenn ich noch nicht so weit in die analoge Materie vorgedrungen bin wie du.
    Seit ein paar Wochen beschäftigt mich das Thema „Altglas“ immer mehr und ich bin gespannt, wo es mich hinträgt…
    Die Idee mit dem Workshop für das analoge fotografieren und entwickeln gefällt mir auch gut.
    Viele Grüße
    Michael

    1. Tilman

      Hallo Michael, es scheint, als ob Altglas immer mehr in Mode kommt – zu Recht, wie ich finde ;-)! Ich habe schon ein paar Ideen für analoge Veranstaltungen. Wenn sich das konkretisiert, werde ich das auf Facebook bzw. über den Newsletter veröffentlichen. Danke für deinen Kommentar! Gruß, Tilman

  3. Auf jeden Fall zu Recht.
    Früher hatte nicht nur jedes gute Objektiv einen klangvollen Namen, sondern auch noch eine unverwechselbare Charakteristik. Heute sind die Gläser austauschbar, auf Schärfe und Fehlerfreiheit getrimmt.
    Daneben zwingt die manuelle Fokussierung zu einer besseren Auseinandersetzung mit dem Motiv und damit zur Entschleunigung bei Aufnahme und Nachberarbeitung. Die Frage für mich ist: warum sollte ich die unverwechselbare Charakteristik des Objektivs „weg-shoppen“?
    Auf jeden Fall ein spannendes Gebiet…
    Gruß
    Michael