An manchen Tagen gibt es keine echten Zeitfenster, um sich durchgehend auf Straßenfotos zu konzentrieren und in den richtigen Flow zu kommen. 2-3 Stunden am Stück sind da einfach nicht drin, da alles von Terminen und Besorgungen unterbrochen wird. Aber die Kamera hatte ich heute dennoch dabei, für alle Fälle. Auf dem Weg in die Stadt habe ich dann erstmal ein paar Bilder aus dem Bus heraus gemacht. (Tipp: Besonders an Haltestellen lassen sich passable Bilder machen. Kamera gerade halten, vielleicht sogar die Streulichtblende gegen die Scheibe drücken und den Serienbildmodus aktivieren. Ich habe bei Blende 11 und Zonenfokus gearbeitet, da gibt es ausreichend scharfe Bilder.)

Eigentlich war ich – wie gesagt – nicht unterwegs, um Straßenfotos zu machen, sondern um eher „formale“ und organisatorische Dinge zu erledigen (Fotokopien von Modelreleases machen, ein Projektmeeting), aber auf dem Weg von A nach B lassen sich immer wieder kleine Fotopausen einbauen. Die Kamera sollte dein steter Begleiter sein, und zwischen deinen Terminen sollte es zur Routine werden, die Augen offenzuhalten und wahrzunehmen, wie geschäftig die Leute ihren täglichen Besorgungen nachgehen.

Der dritte Hund: Enter #blackdogproject

So habe ich quasi nebenbei den Startschuss für mein Nebenprojekt #blackdogproject gegeben. Eine Frau mit einem kleinen kräftigen schwarzen Hund kam mir entgegen, und ich sprach sie ohne Umschweife an, sagte, ich sammle Straßenfotos von schwarzen Hunden. (Der schwarze Hund ist eine Umschreibung für Depression. Ein Begriff, den Winston Churchill geprägt hatte). Sie war weder überrascht noch ablehnend und so machte ich ein paar Hundebilder.

Kurzer Ausflug in die Streetpsychologie: Denke nicht darüber nach, wenn du vorhast, Leute anzusprechen. Tu es unvermittelt. Wenn sie darüberhinaus noch Hunde haben, umso besser. Das senkt deine Hemmschwelle und ist unkritisch, da du ja ihrem geliebten Tier deine Aufmerksamkeit schenkst. Außerdem kommst du ins Gespräch und kannst mit etwas Glück und Geschick auch noch ein Bild von den Besitzern selbst machen. In jedem Fall bietet der Weg über einen „Dritten“ (meist ein Hund oder Haustier) eine gute Einstiegsmöglichkeit. Wenn du den Hund durch andere Dinge ersetzt, sagen wir einen Blumenstrauß oder Tattoos oder die tolle Sonnenbrille oder was auch immer, bist du einen großen Schritt weiter.

Anschließend wollte ich Werner aufsuchen, den Mann, der vor einem öffentlichen ẂC lebt. Bei der Kälte hatte ich mir schon vorher Gedanken gemacht, wie man überhaupt auf der Straße überleben kann. Wieder hatte ich ein seltsames Gefühl, als ich seiner Wohnstatt näher kam. Ich überlegte mir schon, was ich zu ihm sagen sollte, als ich sah, dass der Platz vor den öffentlichen Toiletten geräumt war. Was mag passiert sein? Ich habe ja die Hoffnung, dass er irgendwo untergekommen ist, wo ihm die Kälte nicht so zusetzt. Morgen werde ich eh in den Tagestreff gehen, dort wird man Bescheid wissen, was los ist, und ob man sich Sorgen machen müsste.